Erskine, Barbara - Mitternacht ist eine einsame Stunde
trat, sah sie eine Bewegung an der Seite des Cottage. Sie blieb stehen und spürte, wie ihr Herz schneller schlug. Sie hatte die Furcht aus ihrem Traum noch nicht abgeschüttelt, und die Stille und Leere des Waldes machte sie nervös. Sie zwang sich vorzutreten, aber als sie umherspähte, sah sie erleichtert, daß es nur ein Kaninchen gewesen war. Drei Kaninchen. Sie richteten sich für einen Moment auf, als sie erschien, die Ohren gespitzt, die Augen vor Entsetzen weit aufgerissen, und dann hoppelten sie zurück unter die Bäume. Sie lächelt amüsiert, ein wenig verlegen wegen ihrer Angst. Sie würde lernen, sich zusammenzureißen.
Im Eingang zum Schuppen blieb sie stehen. Der Spaten lag über der Türschwelle. Sie bückte sich, um ihn aufzuheben. An den Schultern des Blatts klebten Klumpen von nassem, dunklem Sand. Jemand hatte den Spaten noch vor kurzem benutzt. œ Jedenfalls ganz sicher, nachdem sie letzte Nacht aus dem Schuppen gekommen war. Sie musterte den Wald, doch so weit sie sehen konnte, war alles still und ruhig. Selbst die Kaninchen waren verschwunden.
Mit einem Schulterzucken sammelte sie einen Armvoll Scheite auf. Dieses Mal entdeckte sie auch das in der Ecke des Schuppens sauber aufgestapelte Anzündholz und füllte die Taschen mit Zweigen und kleinen Holzsplittern, die ihr beim Feuermachen helfen würden.
Der heiße Kaffee und das lodernde Feuer im Holzofen trugen ebenso zur Wiederherstellung ihrer guten Laune bei wie die Entdeckung, daß sich im Badezimmerschrank ein Boiler befand, der ihre Ungewißheit, ob sie wegen fehlender Holzscheite auf heißes Wasser verzichten mußte, bedeutend abmilderte. Sie aß eine Schale Getreideflocken und machte sich dann ernsthaft ans Auspacken.
Mehrfach warf sie dabei einen Blick aus dem Fenster und bemerkte, daß der Tag allmählich aufklarte. Der Nebel wurde dünner, und die Sonne hatte ein wenig an Stärke gewonnen. Bis ihre Taschen und Kartons leer und in dem nicht von ihr benutzten Schlafzimmer verstaut worden waren, hatte das Meer ein leuchtendes Blau, das zum Himmel paßte.
Als sie sich von dem Fenster ohne Vorhang abwandte, fiel ihr Blick auf einen Stapel Bilder hinter der Tür, den sie bis jetzt nicht bemerkt hatte. Sie standen an einer besonders dunklen Stelle, die Vorderseite zur Wand. Neugierig drehte sie eines um. Das Gemälde zeigte nur das Meer œ allerdings ein eigenartig surrealistisches, alptraumartiges Meer. Mit einer Grimasse zog sie ein anderes Bild heraus. Es hatte dasselbe Thema, ebenso wie das nächste und übernächste. Dann waren da noch zwei, die das Cottage zeigten, einmal als ein ausdruckslos braunes, wie von einer Flammenwand umgebenes Pappmache-Haus im Herbst, und das zweite, als befände es sich unter dem AlptraumMeer. Sie starrte das zweite Gemälde lange an und stellte es dann, schaudernd, wieder zurück an die Wand. Die Bilder waren alle von derselben Person gemalt worden, einer Person, die über viel Talent und Ausdruckskraft verfügte. Dennoch mochte sie die Gemälde nicht. Was sie ausdrückten, war ihr zu grausam.
Mit einer leichten Gänsehaut schloß sie die Tür, lief die Treppe hinunter und zurück in das sonnenüberflutete Wohnzimmer. Dort hatte sie ihre Bücher und Papiere zurechtgelegt, um mit der Arbeit zu beginnen. Es gelang ihr, sich vom Gedanken an die Bilder zu befreien, während sie so dastand und auf den Tisch hinunterschaute.
Das Buch existierte in ihrem Kopf bereits, sie mußte nur mit dem Schreiben beginnen, und es würde sogar noch besser werden als Jane. Kate lächelte und setzte sich an ihren Computer.
Als es zwei Stunden später an der Haustür klopfte, war sie überrascht. Sie hatte Bill völlig vergessen.
»Hallo!« Er grinste sie an, als sie zusammen ins Wohnzimmer gingen. »Wie geht‘s? Fertig zum Essen?«
Sie starrte ihn an, noch meilenweit von ihm entfernt. Sie ließ sich nur ungern aus der Stimmung reißen, hätte viel lieber weitergeschrieben.
Bill sah sie an. »Wo bist du gerade?« fragte er leise. »Du hast kein Wort von dem gehört, was ich gesagt habe, oder? Ich habe Mist gebaut. Ich habe die Schriftstellerin beim Zusammensein mit ihrer Muse gestört.«
»Oh, Bill, tut mir leid. Natürlich habe ich gehört, was du gesagt hast.« Kate schleppte sich zurück in die Gegenwart und schüttelte sich ein wenig. »Zum Teufel mit der Muse. Sie kann ein paar Stunden lang zurück in ihre Schachtel. Ja, das ist eine gute Idee. Ich würde sehr gern mit dir essen.«
Der Spaziergang durch den
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