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Erskine, Barbara - Mitternacht ist eine einsame Stunde

Titel: Erskine, Barbara - Mitternacht ist eine einsame Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Erskine
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Wald war wunderbar, und während sie neben ihm herlief, die Hände in den Taschen, blickte sie sich interessiert um, registrierte die klare Luft, den weichen schlammigen Weg, das Geflüster der duftenden Kiefern, die winterkahlen Eichen und die mit jungen Kätzchen herausgeputzten Birken und Haselnußsträucher. Ihre Gedanken an den Vater des Dichters, des verrückten Jack Byron, hatte sie abzuschütteln vermocht und begonnen, Bill die Abenteuer der vergangenen Nacht zu erzählen.
    »Ich fürchte, das ist typisch für Greg. Dir das mit dem Feuer nicht zu erklären und kein Brennholz dazulassen«, sagte Bill kopfschüttelnd. »Er hat bisweilen einen kleinlichen Zug. Du mußt wissen, er ist wütend, weil er wegen dir das Cottage aufgeben mußte.« Er stieß einen morschen Ast zur Seite, der halb über den Weg lag.
    »Ich habe nicht gewußt, daß er da lebt.«
    »O ja. Greg ist ein brillanter Maler. Vor ungefähr sechs Jahren hat er die Uni geschmissen, erst halb fertig mit seinem Kunststudium, ist zurück nach Hause gekommen und hat das Cottage besetzt. Das war, bevor Roger seinen Beruf aufgeben mußte. œ Ich weiß nicht, ob du‘s bemerkt hast, aber er hat Krebs.« Er hielt einen Augenblick lang inne. »Wie dem auch sei, die Lindseys haben gute Miene zum bösen Spiel gemacht, anders kann man das nicht sagen, und ich glaube, Roger zahlt ihm eine Art Taschengeld. Aber als er jetzt aufhören mußte zu arbeiten, gab es den einen oder anderen Wink mit dem Zaunpfahl, Greg solle ihm nicht länger auf der Tasche liegen und sich eine Arbeit suchen, um die Familienfinanzen aufzubessern. Doch ich vermute, daß der das alles ungerührt zur Kenntnis genommen hat. Er hat hochtrabende Ansichten über die Heiligkeit des Talents und denkt wohl, daß der Rest der Welt ihm den Lebensunterhalt schuldet, damit er diesem Talent frönen kann. Arme Diana! Ich weiß gar nicht, wie sie das bisher geschafft hat. Die Idee, das Cottage zu vermieten, ist bei unserem Leonardo nicht eben auf Begeisterung gestoßen, wie du dir vorstellen kannst. Wahrscheinlich haben sie ihn strampelnd und brüllend rausgezerrt. Also nimm seine Feindseligkeit nicht persönlich. Aber rechne auch nicht damit, daß er dir mit einem Blumenstrauß seine Aufwartung macht.«
    Kate runzelte die Stirn. »Das hättest du mir auch alles früher erzählen können, Bill.«
    »Warum? Hättest du es dir dann anders überlegt?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Nein, aber es erklärt eine Menge.« Sie hielt inne. »Ich habe im Schlafzimmer ein paar Bilder gefunden. Er muß sie vergessen haben.«
    »Das bezweifle ich. Wenn er sie dagelassen hat, dann mit Absicht. Das heißt, er wollte, daß du sie siehst.« Bill sah sie an. »Seine Bilder sind ganz schön grimmig, nicht wahr?«
    Sie nickte. »Ich mag sie nicht. Eins davon zeigt das Cottage unter dem Meer. Es war -« sie zögerte, suchte nach dem richtigen Wort »irgendwie morbid… bedrohlich.«
    »Beachte sie gar nicht. Wir bitten Diana, sie wegzuschaffen.«
    »Macht das nicht zuviel Wind?«
    »Überhaupt nicht. Du bist genauso Künstler wie er, klar? Ein besserer, weil du disziplinierter arbeitest. Und du hast das Recht, genauso sensibel und empfindlich zu sein wie er.« Er grinste. »Fühlst du dich sensibel und empfindlich?«
    »Nicht im geringsten. Eher hungrig.«
    »Gut. Dann gehen wir jetzt zu deinem Auto und fahren essen.«
    Das Farmhaus war leer. Nachdem sie einen flüchtigen Blick durch die Fenster geworfen hatten, um sich zu vergewissern, daß wirklich niemand zu Hause war, richteten sie ihre Aufmerksamkeit auf die Scheune. Kates Peugeot stand da, ordentlich neben einem alten Volvo geparkt.
    »Dianas Auto«, sagte Bill. »Sie können nicht allzuweit sein, wenn sie sich alle in diesen höllischen Land Rover gepfercht haben, jedenfalls nicht, wenn ihnen was an ihren Zähnen liegt.«
    Als sie das Ende des Feldwegs erreicht hatten und wieder auf der asphaltierten Straße fuhren, fand Kate, daß er recht hatte und daß sie, sobald ihr nächster Tantiemen-Scheck kam, den Stoßdämpfern ihres Autos zuliebe ein paar Scheine opfern und sich für die Dauer ihres Aufenthalts eine alte Karre mit Vierradantrieb kaufen sollte.
    Sie bestellten sich ein Currygericht im Black Swan, einem schönen langgezogenen, niedrigen, rosafarbenen Pub, das ein oder zwei Meilen von der Straße entfernt lag, und machten es sich in der Ecke beim riesigen Kamin bequem, in dem ein einladend glimmendes Holzscheit den Raum mit dem Duft von Gewürzäpfeln füllte.

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