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Erskine, Barbara - Mitternacht ist eine einsame Stunde

Titel: Erskine, Barbara - Mitternacht ist eine einsame Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Erskine
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hinein.
    »Es ist gleich soweit«, sagte sie über die Schulter zu Alison. »Ich habe hier etwas, um deine Füße zu wärmen. Möchtest du etwas Heißes zu trinken?« Sie drehte sich zu dem Mädchen um. »Es kann dir nichts mehr passieren, Allie. Komm schon. Wach auf.« Sie setzte sich auf den Rand des Sofas und legte die Hand auf ihre Schulter. Das Mädchen zuckte zurück. Die Bewegung war so plötzlich und so heftig, daß Kate erschrak. »Du bist in Sicherheit, Allie«, sagte sie zärtlich. »Du mußt dich nicht mehr fürchten.« Unwillkürlich schaute sie zum Fenster. Draußen, jenseits des strömenden Eisregens, der die Scheibe herunterlief, war nichts zu sehen. Was war dort draußen bei der Düne passiert? Sie wünschte inständig, daß Greg da wäre. Oder daß er etwas vergessen hatte und in seinem Land Rover zum Cottage unterwegs war. Vielleicht sollte sie noch einmal zu telefonieren versuchen.
    Als sie aufstand, packte Alison ihr Handgelenk. Kate stieß einen Angstschrei aus. Das Mädchen blickte sie durchdringend an, die Augen in ihrem weißen Gesicht schienen plötzlich wieder klar zu sehen. »Verlaß mich nicht.« Ihre Stimme war rauh, kaum hörbar.
    Kate hauchte einen Seufzer der Erleichterung. »Keine Sorge. Du bist in Sicherheit.«
    »Nein.« Alison schüttelte den Kopf. Die Bewegung schien ihr weh zu tun. Sie ließ sich zurückfallen, die Augen für eine Sekunde geschlossen. Kate war erleichtert, daß die furchtbare Starre verschwunden war, die Antwort aber ließ sie frösteln. »Warum bist du nicht in Sicherheit?« fragte sie leise. »Was ist passiert? Willst du es mir nicht sagen?«
    Einen Moment lang dachte sie, Alison habe sie nicht gehört, aber dann öffneten sich die Augen des Mädchens. »Sie sind frei«, flüsterte sie. Ihre Finger klammerten sich mit überraschender Kraft an Kates Hand. Sie waren noch immer eiskalt. »Ich habe ihnen die Freiheit gegeben.« Ihre Worte waren undeutlich, als ob sie betrunken wäre. »Sie haben gewartet. Claudia. Claudia will Rache.«
    »Claudia?« Kate starrte verdutzt hinunter auf das weiße, verfrorene Gesicht. »Wer ist Claudia?«
    Alison lächelte unsicher, aber als ihre Stimme den Mund verließ, war sie erstaunlich klar. »Claudia ist eine Hure; eine Verräterin. Sie ist ein Tier. Sie hatte den Tod verdient.«
    Kate starrte sie voll Entsetzen an. »Alison, weißt du, wo du bist?« Die grünen Augen öffneten sich. Sie wanderten unruhig im Zimmer umher, dann richteten sie sich auf Kate. Das Mädchen schwieg einen Moment, dann brach sie in Tränen aus.
    »Ach, Allie, Schatz, nicht. Ich sagte doch, du bist in Sicherheit.«
    Kate war erstaunt über das ungeheure Mitgefühl, das sie überkam. Sie beugte sich nach vorn, um die Arme um Alison zu legen und sie festzuhalten. Das Mädchen wirkte plötzlich so zerbrechlich wie ein Vogel, jeder Knochen stach unter der Wärme des Bademantels hervor, und ihr Körper verströmte noch immer eine schreckliche Kälte. »Hör zu, ich gehe nur schnell nach oben und hole ein Handtuch. Ich habe einen Stein für dich heiß gemacht. Zum Aufwärmen.« Kate warf einen Blick auf den Ofen und wollte aufstehen.
    »Nein!« Alison klammerte sich wieder an sie. »Laß mich nicht allein.«
    Kate setzte sich wieder neben sie auf das Sofa. »Hier ist nichts, was dir Angst machen müßte, Alison«, wiederholte sie zärtlich. »Du bist in Sicherheit.«
    Wie um ihre Worte zu unterstreichen, schüttelte eine besonders starke Windbö das Cottage. Der offene Ofen stieß eine Rauchwolke aus und brachte das durchdringende Aroma von brennendem Eichen- und Apfelholz in das Zimmer. Kate sah besorgt zum Fenster und fragte sich einen Augenblick lang, ob es der Gewalt des Sturms standhalten werde.
    Plötzlich erschrak sie: Auf dem Fensterbrett bewegte sich etwas! Da war Wasser auf dem Fensterbrett. Aber nicht nur Wasser. Sie machte eine kaum merkliche Bewegung, ohne Alisons Hand loszulassen, und streckte den Kopf zur Seite, um besser sehen zu können. Kein Zweifel, auf dem Holz war eine Pfütze, und in der Pfütze schwammen Blätter und Erdstückchen, und da, an ihrem Rand zappelten Maden.
    Einen Moment lang glaubte sie, sie müsse sich übergeben.
    »Was ist los? Was ist passiert?« Alisons Stimme war schrill vor Angst; in Panik klammerte sie sich fester an Kate. »Was ist da?«
    »Nichts. Gar nichts.« Kate zuckte vor Schmerz zusammen und versuchte, sich aus den krallenden Fingern des Mädchens zu befreien. »Eine undichte Stelle, durch die Regen

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