Erst der Sex, dann das Vergnügen: Roman (Piper Taschenbuch) (German Edition)
treu sein konnte! Nur weil er gut aussieht? Und weil er lieber wenig sagt, anstatt Blödsinn zu faseln? Und weil das, was er dann sagt, meistens lieb oder lustig ist?«
Ich verstummte.
»Aue aue papa e, aue aue papa e!«, sangen die Kinderstimmen der Südsee gerade zu fröhlichem Getrommel. Warum fühlte ich mich eigentlich so wohl mit Felix? Weil ich genau wusste, dass ich mit niemandem leben könnte, der akkurater wäre als ich – weil der dann nämlich zwangsläufig an meinem Chaos Anstoß nehmen würde, auch wenn es noch so sehr System hatte! Hatte ich mich nicht bewusst für den Lausbuben Felix und gegen meinen dandyhaften Exfreund entschieden, als ich Felix an mich herangelassen hatte? Und war dieser Kerl nicht immer ein Stück Heimat gewesen in dieser Stadt – hätte ich ohne ihn denn geschafft, was ich geschafft hatte?
»Weißt du was, Charlotte«, sagte ich langsam, »wenn ich an Felix denke, fällt mir trotzdem immer nur Positives ein. Ich kann einfach nicht über ihn schimpfen, jedenfalls nicht lange. Und deswegen …«
Dadadüdadadüdadadüdüdüü.
»Peter und der Wolf« war ein wunderbarer Klingelton für mein Ladentelefon, auch das eine Idee von Felix, und das Wunderbare: Er war es auch, der mich anrief. Endlich! »Felix mobile « blinkte es auf dem Display, und mit dem schönen Gefühl, höchstens zwei Sätze von einer Versöhnung entfernt zu sein, hob ich ab, mein Herz weit und zum Verzeihen bereit.
Lange nachdem ich aufgelegt hatte, saß ich weiter auf der zweituntersten Stufe des hinteren Treppenhauses, durch das fast nie jemand ging. Mein Freund, das unbekannte Wesen, dachte ich, unfähig, mich zu bewegen, und starrte auf die dunkelbraun lackierte Türschwelle zu der ungenutzten Hauswartswohnung. Wie schäbig hier alles war. Hatte ich diese abgeranzte Berliner Umgebung nicht immer als schick empfunden? Wann zum Teufel war das eigentlich gewesen?
»Hier bist du«, sagte Charlotte vorsichtig vom Türrahmen der Lagertür aus. »Was sagt er? Bleibt er noch in München?«
»Nein«, sagte ich und starrte sie an, »er ist nach Kalifornien. Um zu surfen. Wellenreiten. Er muss mal raus, sagt er. Kann länger dauern. Er meldet sich dann.«
Ich stand auf, steif wie eine alte Frau, stakste in den Laden und schloss die Tür von innen zu – Kunden konnte ich jetzt nicht brauchen – und wischte mir die Tränen mit einem Streifenpullunder Größe 56 aus der Zwergekollektion ab.
»Ich weiß nicht einmal, ob er allein gefahren ist oder sich jemanden mitgenommen hat.«
»Hm«, meinte Charlotte, die offensichtlich mehr Routine hatte als ich, über das Parallelleben eines Lebenspartners den Überblick zu behalten, »schau doch mal auf Facebook, oft steht da mehr, als man meint. Ich gehe in der Zwischenzeit Aperol kaufen.«
»Beeil dich!«, schluchzte ich, schaltete energisch den CD -Spieler aus, die Kinderstimmen der Südsee waren gerade zu einer traurigen Ballade namens »Oku mokomokoga« übergegangen, und klappte den weißen Laptop auf dem Kassentisch auf. Wenn Felix ausnahmsweise mal schlechte Laune gehabt hatte, hatte er sich über Nacht am Küchentisch hinter seinem Rechner verschanzt, vielleicht hatte er im Netz Spuren hinterlassen, die mir ihn verstehen halfen? Ich wartete mit klopfendem Herzen das Willkommensdingdong ab. Ungeduldig klickte ich die Startseite weg, politische Nachrichten waren mir gerade völlig wurst, und überflog Felix’ Profil nach einschneidenden Veränderungen.
Es hatte sich nichts verändert. Status: in einer Beziehung. Ich konnte nur hoffen, dass damit immer noch ich gemeint war.
»Ich schreib ihm, was ihm eigentlich einfällt!!«, schnauzte ich.
»Tu das nicht«, sagte Charlotte, die einen Schwall frischer Luft und eine Plastiktüte mitbrachte, und krempelte die Ärmel ihrer weißen Hemdbluse hoch. »Wer will das denn schon lesen, nicht jammern, schick ihm lieber ein Foto von dir, wie du jetzt aussiehst, süß, aber gramgebeugt!«, befahl sie mir und schubste mich auf die Seite, um die Passbildfunktion meiner Webcam einzustellen.
»Hoppla … du hast eine neue Nachricht und Fotos zum Download«, sagte sie, »soll ich mal?«
»Wahrscheinlich Felix, wie er mit einer ultraschlanken Baywatch-Tussi am Strand von Santa Monica posiert«, schniefte ich, auf alles gefasst. Warum hatte ich es nie geschafft, mir mit Felix zusammen ein Hobby aufzubauen? Warum waren wir kein einziges Mal zusammen an der Ostsee gewesen? Oder in den Bergen? Ich war doch früher einmal gut und
Weitere Kostenlose Bücher