Erst lesen. Dann schreiben: 22 Autoren und ihre Lehrmeister - (German Edition)
sind die Schauplätze, bei denen Dodo einen Mix aus Außergewöhnlichem und Wohlvertrautem wagt. Neben Dodos Schreibstube lernen wir das Heim von Dod Osbourne, das Berghaus des Schurken, die unendlichen Weiten der Prärie, den Kaffeeplaneten, ein Redaktionsbüro, den Walfänger, die Unterwelt und eine Arztpraxis kennen. Der Leser, im Sessel bequem platziert, genießt auf diese Weise die Vielfalt und Buntheit der Welt. Also munter von Ort zu Ort beim Schreiben – obwohl es erfolgreiche Bücher geben soll, die ohne ständige Schauplatzwechsel auskommen.
III. Warnung vorm Stillstand: Idyllen und Klischees
Gegen das Abenteuer begehrt das Immergleiche auf, das wir im Leben Glück nennen und in der Literatur als Handlungsarmut verachten. Zwei Mal droht Doktor Dodo das Glück die Handlung zu lähmen: Direkt zu Beginn manövriert er seinen Helden, der daheim von seiner Expedition ausruht, in eine Spannungssackgasse. Dodo merkt bei der Gelegenheit selbstkritisch an: »Was soll das eigentlich werden?! Kaminfeuer! Erfrischungsgetränk! Die reinste Idylle! Wenn jetzt nichts passiert, laufen mir die Leser weg!« Der Autor entkommt solchen Klischeefallen durch kecke Wendungen, die die Handlung in Schwung halten. Die Lösung in diesem Fall: ein Verbrechen nebst Rätsel, das die gesamte Geschichte trägt. Dodo etabliert einen Konflikt, bei dem ein Einrichtungsgegenstand in den Mittelpunkt rückt. Davon mehr im nächsten Kapitel.
Ähnliches geschieht im zweiten Teil des Buchs, als Dod Osbourne sich auf dem Kaffeeplaneten in eine wunderhübsche Prinzessin verguckt. Das bei Autoren nicht seltene Thema »Liebe« böte – nicht immer zum Vergnügen des Lesers – reichlich Gelegenheit, die Schönheit des Zusammenseins zu preisen. Doktor Dodo erkennt die Gefahr und hält sich wie seine Hauptfigur nicht lange bei der bezaubernden Prinzessin auf. »Sie lebten glücklich und zufrieden«, heißt es lapidar, und ehe die Handlung erstirbt, macht sich Dod auf den Weg. Die Trennung von der Geliebten wird einen Absatz lang und ohne großes Sentiment geschildert: »Ersparen wir uns eine genaue Schilderung des Abschieds. Nur so viel: Es flossen Tränen.« Schließlich hat Dod noch eine Mission zu erfüllen.
IV. Was ist der Konflikt?
Ohne Konflikte lassen sich keine Geschichten erzählen. Gerät dem Autor der Konflikt zu feingliedrig, rauchen den Lesern die Köpfe. Doktor Dodo baut den Konflikt daher mustergültig einfach. Die Hauptfiguren ringen um den Besitz eines schicken blauen Sessels, der in den frühen Jahren der Osbourne-Zwillinge eine Rolle spielt. Das erfahren wir durch einen Dialog am Ende des Buchs. »Warum der Diebstahl?« fragt Dod, und Rod antwortet: »Kindheitstrauma. Durfte nie drauf sitzen. Wollte mich rächen.«
Dieser simple Spannungsbogen genügt, um den Leser an den Haken zu bringen: Wer ist der Dieb des Sessels? Was bewegt ihn? Es muss demnach nicht immer um Leben und Tod, gigantischeRaumschiffeoderdieRettungderWeltgehen.Ein gewöhnliches Möbelstück reicht aus. Eines der Grundmotive der Literatur durchzieht dabei die Handlung wie ein dunkler Strom und sichert wie in Heinrich von Kleists Trauerspiel Die Familie Schroffenstein den Leseschauder: Rache. Zum Finale treibt Dodo die Spannung auf die Spitze. Der Autor nutzt dafür ein einfaches Mittel, das er dem filmischen Erzählen entlehnt. Er lässt zwei Handlungsstränge parallel laufen und setzt sie bildweise nebeneinander: Der eine Strang erzählt die Geschichte Dods, der andere die seines Widersachers, bis sich nach einigem Verfolgen der Showdown von Held und Gegenspieler anbahnt. Dass die Geschichte letztlich auf ein Happy End zusteuert, ist dem schieren Wohlwollen Doktor Dodos und seinem Professor Siegmund zu verdanken.
V. Tempo, Tempo!
Warum seitenweise plaudern, wenn ein Absatz reicht? Doktor Dodo ist ein Beschleuniger, der die Zeit seiner Leser zu schätzen weiß und deswegen auf ein zügiges Erzähltempo setzt. Wie er das macht, zeigt ein Beispiel: Als Dodo bei einem Händler ein Gebrauchtflugzeug erwirbt, um dem Sesseldieb zu folgen, ließe sich episch breit von diesem Kauf erzählen: wie der Händler berät, Dod ein geeignetes Flugzeug auswählt, wie man sich nach einigem Hin und Her auf einen Kaufpreis einigt, dann der Weg zum Flugzeug, das Einsteigen, letzte Worte des Händlers, der Start. Nichts von alledem macht Doktor Dodo. Er kommt mit zwei Bildern aus – Dod überreicht dem Händler das Geld im Büro; Dod ist mit dem Jet in der Luft – und
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