Erstens kommt es anders ... (German Edition)
umgehend auf sie. Ganz im Gegenteil, Stevie wurde ignoriert, während Miss Mitchel für keine Sekunde Michael und Cassidy aus den Augen ließ. Ihren raschen Blick in deren Richtung bereute Stevie sofort. Denn die beiden umarmten sich immer noch und unterhielten sich darüber hinaus wispernd, wie es nur zwei Menschen zustande brachten, die ziemlich eng miteinander verbunden waren. Renata benötigte den Zeitraum von drei Herzschlägen, um sich zu erholen, dann ging sie zum Angriff über. »Michael!«
Stevie fand ja, dass die Szene eher einer brutalen Attacke ähnelte, als dem Versuch, den Gastgeber zu begrüßen. Denn Renata drängte sich zwischen die beiden, verpasste Cassidy dabei mit ihrer Schulter einen herben Kinnhaken und warf in der nächsten Sekunde ihre Arme um Michaels Hals. Zwei Sekunden später lagen ihre Lippen auf seinem Mund. Und zehn Sekunden danach begriff die sonst so dümmliche Cassidy auch schon, dass sie gerade von ihrem Platz vertrieben worden war.
Mit riesigen Augen baute sie sich vor Renata auf – offensichtlich bereit, bis zum Äußersten zu gehen.
Aaron Mitchel hatte Stevie freundlich begrüßt. Als sein Blick auf Michael fiel, wurde seine Miene argwöhnisch. Anschließend begutachtete er Cassidys Erscheinung und der Argwohn nahm nochmals zu. Doch dann sah er das Verhalten seiner Tochter und Wachsamkeit machte allem anderen Platz. Mit einem flüchtigen Lächeln ließ er Stevies Hand los und kaum setzte das Zischen ein, einschließlich giftiger Blicke, ging er auch schon dazwischen.
»Renata!« Das Knurren stammte nicht von schlechten Eltern. Bevor seine Tochter reagieren konnte, zog er diese bereits zu Mrs. Rogers, die in einiger Entfernung den Kellnern letzte Anweisungen gab. Gut, weil somit wenigstens diesmal die Katastrophe erfolgreich am Ausbrechen gehindert worden war. Und schlecht, weil Stevie allein zurückgelassen wurde.
Allein, mit Michael und Cassidy.
* * *
S oeben durchlebte Michael die anstrengendste Zeit seines Lebens.
Cassidy, nicht bloß dumm wie zehn Meter Feldweg, sondern auch widerlich aufdringlich, kostete ihn alles an Geduld, die er schon längst nicht mehr besaß. Weitaus schlechter mutete dabei jedoch an, dass ihre ständigen Annäherungsversuche nicht ohne Wirkung blieben. Er war nur ein Mann. Ein verdammt Einsamer, um genau zu sein. Und sie war bestimmt nicht die schlechteste Wahl. Inzwischen interessierte ihn nicht länger, ob die Richtige oder die Falsche, am liebsten hätte er es sofort mit ihr in der nächsten Besenkammer getrieben. Nur, um endlich wieder ein wenig Ruhe zu haben.
Hätte!
Diesmal machte ihm jedoch sein Kopf einen Strich durch die Rechnung. Er konnte nicht. Es wäre ihm wie der mieseste Betrug vorgekommen, ein unverzeihlicher Verrat an Stevie. Diese Erkenntnis versetzte ihn augenblicklich in mittlere Raserei. Gern hätte er Cassidy eine Abfuhr erteilt, um Stevie treu zu bleiben. Es hätte ihn nichts gekostet! Aber er konnte sie gar nicht betrügen, weil sie nicht seine Frau war! Seit wann fühlte er sich überhaupt dazu verpflichtet, jemandem die Treue zu halten? Das allein kam ja bereits dem Brüller schlechthin gleich. Treue war nämlich auch so ein Wort, von dem er bis vor Kurzem vielleicht zufälligerweise mal gehört hatte, das jedoch außerhalb seines Lebens stattfand. Und hierbei handelte es sich um die mit Abstand geringsten Schwierigkeiten, mit denen er sich derzeit herumschlagen musste. Denn zwei Tage vor dem Ball war Diana bei ihm mit erstaunlich düsterer Miene aufgetaucht. »Wir haben Probleme!«
Mittlerweile beutelten Michael so viele Probleme, dass er ernsthaft in Erwägung zog, seinen Namen zu ändern und auszuwandern. Er stöhnte auf und schloss die Augen. »Ich will nicht mehr!«
»Verständlich! Aber deine Stevie kannst du dann wohl vergessen!«
Schon riss er die Lider wieder auf und fixierte seine Schwester mit starrem, fatalistischem Blick. »Was ist los?«
»Erinnerst du dich noch an eine gewisse Bianca? Minderjährig, hübsch, beinah in deinem Bett, uralter Dodge ...?«
»Ja, wa...« Abrupt verstummte er, musterte die verkniffene Miene seiner Schwester etwas eingehender, und mit einem Mal fielen ihm Mrs. Grace‘ Worte ein. Damals, bei seinem ersten Besuch in Castle Rock. »Stevie ist schwierig. Wie ihr Vater. Bianca kommt eher nach mir.«
»Sie ist Stevies Schwester?«, erkundigte er sich tonlos.
»Erraten!«
»Ich bin am Arsch«, stöhnte er. »Sollte Stevie jemals dahinter kommen, dass ich auch auf eine
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