Erstens kommt es anders ... (German Edition)
Kinderspiel. Die Kleine hielt offensichtlich auch nichts von der Hinhaltetaktik. Mit einem schmalen Lächeln nahm er neben ihr auf dem Barhocker Platz. »Hey ...«
Ein Strahlen antwortete ihm. »Hey ...«
»Was trinkst du?«
»Weißwein.«
Anerkennend nickte er, hob seinen Finger in Richtung Barmann, »Einen Weißwein bitte!«, und wandte sich erneut seiner neuesten Eroberung zu. Bewundernd wanderte sein Blick über das leichte, hellblaue Chiffonkleid, das Renatas Cremefarbenem in nichts nachstand. Unverkennbar schimmerte die elfenbeinfarbene Haut hindurch, welche wie ein süßes Versprechen wirkte. Unbedingt wollte er sie berühren, vor allem sehen!
Als er aufblickte, war das Glühen zurück. »Michael ...« Das klang sogar bemerkenswert rau. »Bianca«, erwiderte sie unbefangen, nahm lächelnd ihr Weinglas entgegen und prostete ihm zu.
Bianca erwies sich tatsächlich als Hauptgewinn.
Dieses Abends, zumindest. Zuckersüß, anschmiegsam, fraglos auch unterhaltsam und keineswegs dumm. Bei ihrer Bildung mussten geballte pädagogische Kräfte am Werk gewesen sein. Soviel erkannte Michael bereits nach den ersten Sätzen, die sie miteinander wechselten.
Nach zwanzig Minuten und dem zweiten Glas Wein streichelte sie mit zierlicher, sanfter Hand seine linke Wange. Und erstaunlich kurze Zeit später versprach ihr wilder, ungezügelter Kuss alles, was er wollte. Hingebungsvoll lag ihr graziler, duftender Körper in seinen Armen, warme und weiche Haut liebkoste seine und ihr frischer Atem schmeckte wie eine kühle nächtliche Sommerbrise. Dem Gelingen des Abends stand nichts mehr im Wege.
Und deshalb verstand Michael absolut nicht, warum er sich nicht wohlfühlte. Alles stimmte. Selbst die Wirkung ihres blumigen Duftes auf ihn war außergewöhnlich. Das passierte ihm garantiert nicht bei jeder Frau, die er für eine leidenschaftliche Nacht auserkoren hatte. Normalerweise hätte sie ihn nach wenigen Minuten vor Begehren in den Wahnsinn treiben müssen.
Was Bianca wollte, stand fest. Spätestens, als sich ihre vorwitzigen Finger unter sein Hemd stahlen, waren auch die letzten Zweifel beseitigt.
Bevor es allerdings zum Äußersten kommen konnte, stoppte seine unerbittliche Hand ihr Voranschreiten. Mit zurückgelehntem Kopf betrachtete er ihre großen, dunklen Augen. Die vollen Lippen verzogen sich zu einem bühnenreifen Schmollmund.
»Lass es langsam angehen, Honey.« Von rauer Stimmlage konnte keine Rede mehr sein.
Den wütenden Protest bereits halb ausgesprochen, besann sie sich, hob gleichmütig die Schultern und hielt sich an ihren Weißwein.
Michael bestellte sich ein Mineralwasser.
»Wo wohnst du?«
Bianca runzelte die Stirn. »Nicht in der Stadt.«
»Du studierst?«
Ein Nicken.
»Wo?«
»Harvard.«
»Semesterferien?«
»Ja.«
»Deine Eltern wohnen außerhalb?«
»Ein paar Meilen vor der Stadt besitzen sie eine Ranch«, erwiderte sie mit einem sanften Lächeln.
Auch er hob die Mundwinkel, ohne den Blick von ihr zu nehmen. »Was studierst du?«
»Jura.«
»Ahhh, interessant.«
»Was ist daran interessant?«
»Eigentlich nichts, nur, dass ich vor ...« Flüchtig hielt er inne und seufzte. »Nun, vor zu vielen Jahren selbst dieses Studium absolvierte.«
»An Harvard?«
»Yale!«, grinste Michael.
Verzweifelt blickte sie gen Himmel. »Ich fraternisiere soeben mit dem Feind!«
»Yeah ...«, machte er leise, doch das Lächeln erreichte nicht seine Augen. »Und wie du das tust.«
Anstatt einer Erwiderung begann sie sanft, sein Knie zu streicheln. Er ignorierte es, so gut es eben ging, auch wenn ihm nach wenigen Sekunden der Schweiß auf der Stirn ausbrach. Wo das Problem lag, konnte Michael noch immer nicht exakt benennen, eines stand allerdings inzwischen fest:
Ihre Antworten kamen ohne das geringste Zögern, das Mädchen war wirklich gut, aber dummerweise entsprach jede einzelne einer aalglatten Lüge. Zu lange schimpfte er sich bereits Anwalt, um einen Bluff nicht zu erkennen, wenn er ihm aufgetischt wurde. Obgleich diese kleine Betrügerin eine angehende Meisterin ihres Fachs darstellte, soviel gestand er ihr ohne Weiteres zu. Nur leider wusste jeder, der das College besucht hatte, dass im November keine Semesterferien angesetzt wurden. Nicht so kurz vor Thanksgiving und dem Weihnachtsfest.
Was bedeutete, dass vor ihm mit Sicherheit keine Studentin saß.
Demnach wollte sie ihre Identität im Dunkeln halten. Damit konnte er leben. Doch erklärte das keineswegs sein mieses Gefühl bei der
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