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Erstens kommt es anders ... (German Edition)

Erstens kommt es anders ... (German Edition)

Titel: Erstens kommt es anders ... (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kera Jung
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was genau das für mich bedeutet. Meine Mom und meine Schwester sind auf mich angewiesen. Wenn ich kein Geld heranschaffe, gehe nicht nur ich unter, sie begleiten mich.«
    Hastig warf sie ihm einen Blick zu und wandte ihn beinahe sofort wieder ab. »Es hat nicht gereicht, verstehst du?«, wisperte sie nach einer Weile. »Ich habe hin und her gerechnet, kreuz und quer, es blieb nichts übrig. Was sollte ich tun? Okay, ich gebe zu, das mit der ekelhaften Instantbrühe war reichlich blöde ...«
    Instantbrühe? Er wagte nicht, nachzufragen.
    »... aber kannst du dir vorstellen, dass man manchmal nicht weiter weiß? Es gibt niemanden, zu dem ich gehen kann. Die sind alle verschwunden, nachdem sich herausstellte, dass wir nicht mehr steinreich sind.« Abermals traf ihn ein hastiger Blick. »Das ist okay! Es ist immer besser, zu wissen, woran man ist. Sollen sie woanders heucheln und nicht länger bei uns. Was soll ich mit einem Haufen Freunden, die in Wahrheit keine sind?«
    »Du hast mir gesagt, ich müsse essen«, fuhr sie nach einer weiteren Weile fort. »Von deiner Perspektive aus gesehen bist du ja auch durchaus im Recht! Aber mir stand dafür kein Geld zur Verfügung!« Gleichmütig hob sie die Schultern. »Also musste ich dafür sorgen, dass sich das ändert.«
    Als er endlich sprach, sah er sie diesmal nicht an, sondern fixierte die Häuserzeile, die sich in einiger Entfernung vor ihnen erstreckte. »Du hättest mit mir sprechen können.«
    »Nein, hätte ich nicht!«
    Die Zurechtweisung lag ihm bereits auf der Zunge, doch dann ging Michael auf, dass sie richtig lag. Damit hätte er wohl wirklich zu viel von ihr verlangt, denn auch er würde niemals betteln. Niemand, der über einen gesunden Stolz verfügte. Kaum gedacht kam ihm der nächste Geistesblitz. »Diana!«
    »Was?«
    »Warum hast du Diana nicht davon erzählt? Ich weiß, dass ihr befreundet seid und sie ist verschwiegen, darauf kannst du wetten!«
    Trocken lachte sie auf.
    »Was?«
    »Michael! Ist es denn so schwer verständlich, dass so etwas einfach nicht geht?«, seufzte sie.
    »Sie mag dich!«, beharrte er, während er angestrengt versuchte, nicht darüber nachzudenken, wie sich sein Name aus ihrem Mund anhörte und dass sie ihn gerade zum ersten Mal gesagt hatte. Ihr schien es glatt entgangen zu sein, es kam so selbstverständlich, wie lange geübt ...
    »Das weiß ich«, seufzte die ahnungslose Stevie erneut. »Ich mag sie auch. Sie half mir, mehr, als du ahnst. Aber ich kann unmöglich ...« Abrupt wechselte sie das Thema. »Danke übrigens, dass du den Arzt bezahlt hast und auch mein Gehalt. Ich hätte nicht gewusst, wie ...«
    Und jetzt sah er sie doch an, wenn auch nur flüchtig. »Was soll der Scheiß?«
    Nach kurzem, verblüfftem Schweigen lachte sie – diesmal durchaus überrascht. »Nein, du hast wirklich keine Ahnung, wie das Leben im Allgemeinen so läuft! Ich beneide dich für deine Unwissenheit.«
    Wie kam dieses Küken eigentlich dazu, ihm mangelnden Realismus zu unterstellen? Oder nicht vorhandene Lebenserfahrung? Und noch viel interessanter: Für wen hielt sie ihn denn, wenn sie glaubte, er würde sie mit einem Berg von unbezahlten Arztrechnungen im Regen stehen lassen?
    Nun, die Antwort auf diese spezielle Frage lag wohl auf der Hand. Als er sie abermals von der Seite betrachtete, diesmal genauer und sie möglicherweise zum ersten Mal tatsächlich sah, so unerträglich abgeklärt, so verdammt desillusioniert, konnte er es ihr nicht einmal verdenken. Welche Art von Menschen bisher ihren Weg gekreuzt hatte, wusste er nicht genau. Eines zeigten diese mit Sicherheit nicht:
    Anteilnahme und Hilfsbereitschaft.
    Auch für Berta hatte er immer die anfallenden Arztrechnungen getragen, so wie sein Vater vor ihm. Und auch das Gehalt wurde immer fortgezahlt, wenn jemand erkrankte, der für ihn oder seine Familie tätig war.
    Die Rogers besaßen ein soziales Gewissen und Verantwortungsgefühl für ihre Mitmenschen.
    Vielleicht kannte er eine Armut nicht und konnte sich daher nicht vorstellen, wie ein Leben aussah, in dem man sich keine Nahrung leisten oder bei starkem Frost nicht die Heizung in Betrieb nehmen konnte. Aber er verschloss nicht absichtlich die Augen davor. Michael war durchaus bekannt, dass andere Menschen an ihrem Schicksal zu tragen hatten.
    Okay, annähernd. Dass es so böse werden konnte, hatte er bisher nicht geahnt. Tatsächlich hatte er auf der Suche nach einer Erklärung für ihren Zustand sogar eine Magersucht in Betracht

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