Erstens kommt es anders ... (German Edition)
kalt, dir also auch. Du nimmst ein Taxi!«
Ihre Proteste fielen nicht sehr überzeugend aus. Michael ignorierte sie ohnehin, weil er schon nach einem Mietauto Ausschau hielt. Und als er endlich seinen Blick von der Straße nahm und sich auf den Heimweg begab, war der Wagen mit Stevie bereits vor langer Zeit um die Ecke gebogen.
Es handelte sich nur um einen kleinen Sieg. Eine winzige der vielen schwierigen Etappen, die Michael noch nehmen musste, aber diese Episode veränderte mit einem Schlag alles. Denn spätestens ab diesem Moment gestalteten sich die Dinge tatsächlich äußerst bizarr.
Von Montag bis Freitag befand er sich in Gesellschaft der ewig zugeknöpften Miss Grace. Die blieb einsilbig, unerträglich dienstbeflissen, zeigte sich unnahbar, viel zu ernst alt für ihr Alter und vergaß ständig, sich einen Lunch zu gönnen. Allerdings ließ Michael das nicht gelten. Ab sofort sorgte er jeden Tag, pünktlich um zwölf, dafür, dass eine prall gefüllte Tüte vor ihrer Nase auftauchte. Selbst, wenn er sich im Gericht aufhielt, nutzte er die Verhandlungspause, um Stevie ihren Lunch zu bringen. Doch nicht einmal damit provozierte er bei dieser Person irgendeine andere Reaktion, abgesehen von einem verhaltenen »Danke.«
Das hätte ihn mit Sicherheit nach wenigen Tagen in die Raserei getrieben, wären da nicht noch jene zwei Stunden am Freitagabend gewesen.
Ihre so eng bemessene gemeinsame Zeit verbrachten die beiden nicht ausschließlich auf der Parkbank. Das ließ die Witterung irgendwann nicht mehr zu. Stattdessen gingen sie ins Kino oder spazierten die Straßen entlang. Michael lud Stevie zu einem ausgelassenen Kirmesbesuch ein, sie unternahmen sogar Barbesuche. Jedoch mieden sie hierbei strikt das ‚The Last Chance’.
Scharfsinnig wie er war, wählte Michael immer Lokalitäten, in denen man ihn nicht kannte. Die Gefahr, auf eine ehemalige Geliebte zu treffen, wäre andernfalls zu groß gewesen.
Gott, sie war so süß!
Kein Cremefarbenes oder Hellblaues, wie es die kleine Bianca damals getragen hatte. Stevie erschien in Jeans und keinem Body, leider! Dafür allerdings in einem hellen, hübschen Stricksweatshirt mit weitem Ausschnitt, das ihre schmalen jedoch nicht mehr knochigen Schultern freilegte.
Aber Michael beherrschte sich. Nach einigen Wochen wusste er nicht mehr, wie er das zustande brachte, doch er hielt durch. Nie unternahm er auch nur den geringsten Annäherungsversuch. Er hielt ihre Hand, ja. Das ließ er sich nicht nehmen. Doch darüber hinaus gab es nichts. Keine Umarmung, nicht einmal zur Begrüßung oder zum Abschied, kein Kuss auf die Wange, keine Berührungen welcher Art auch immer.
Mit jedem neuen Treffen schienen die zwei Stunden schneller zu vergehen. Allerdings machte Michael nie den Vorschlag, den Zeitraum zu verlängern. Er wollte ihren Deal nicht gefährden und ahnte, dass Stevie ähnliche Gründe trieben, die Dinge genau so zu belassen, wie sie im Moment waren ...
Noch nie hatte er mit einer Frau so viel Zeit verbracht, ohne mit ihr zwangsläufig im Bett zu landen. Und garantiert hatte er sich bislang nie so ausgiebig gedanklich mit einer beschäftigt oder sich mit ihr auf so ausufernde Weise unterhalten.
Abgesehen von Diana. Bisher meinte Michael, dass es mit Ausnahme seiner Schwester kein weibliches Wesen auf dem Planeten gab, bei dem dieser Aufwand gerechtfertigt war.
Bei Stevie jedoch lohnte er sich mit Sicherheit. Und Michael kam dahinter, dass Warten durchaus auch seine angenehmen Seiten besaß.
Jedenfalls, wenn man entschlossen war, das für Stephanie Grace zu tun.
* * *
S ex war völlig überbewertet!
Wenigstens hämmerte Stevie sich das unentwegt in den Schädel. Und zwar immer dann, wenn sie von ihren zwei Stunden nach Hause kam.
Nein, sie brauchte keinen Sex. Mit Michael schon gar nicht. Die Gründe dafür hatten sich nämlich keineswegs in Luft aufgelöst. Wonach ihm der Sinn stand, wusste sie und genau das wollte Stevie eben nicht!
Daher war kein Sex mit Michael erforderlich, von dem Stevie Grace etwas gewusst hätte.
Oh, sie war verdammt gut darüber informiert, warum er ihr dieses Freundschaftsangebot unterbreitet hatte. Von gestern stammte sie nicht, auch wenn Michael das vielleicht glaubte. Noch immer war ihr höchst schleierhaft, warum sie sich auf sein halbseidenes Manöver überhaupt eingelassen hatte.
Irgendwann gestand sie sich ein, dass es sich um puren Egoismus handelte.
Diesen Michael mochte sie, denn er verhielt sich so anders als ihr
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