Erstens kommt es anders ... (German Edition)
mit dessen Hilfe gelang es ihr, auch diese verstörende Situation zu überstehen.
Am kommenden Freitag wartete Stevie vergebens auf Michael und erlebte somit ihren zweiten Tiefpunkt. Gehen konnte sie nicht, alles in ihr widerstrebte dem, die Hoffnung, er würde es sich doch noch anders überlegen, war zwar dämlich, aber momentan nicht zu vernichten. Also setzte sie sich auf die Bank und betrachtete blicklos das visuelle Schauspiel.
Die Kälte spürte sie kaum, der Frost hatte sich ohnehin bereits verabschiedet und einem ekelhaft, nasskalten Wetter Platz gemacht, das man im Allgemeinen mit dem Spätherbst assoziiert.
Während sie beobachtete, wie ein Licht nach dem anderen in den vielen Fenstern erlosch, wischte sie sich immer wieder die Tränen von den Wangen. Und selbst das entging ihrer Aufmerksamkeit. Ihre Gedanken waren anderweitig beschäftigt und sie gestalteten sich absolut nicht rosig.
Nicht bloß einen Freund hatte sie verloren, sondern den besten, den sie jemals besessen hatte. Erst jetzt verstand sie das Ausmaß der gesamten Katastrophe wirklich. Michael wollte etwas anderes, das wusste Stevie seit Langem, doch darüber hinaus war er ein großartiger Freund gewesen. Alles – okay, fast alles – hatte sie ihm erzählen können, er war nie gelangweilt. Jedenfalls hatte er sich etwas Derartiges nie anmerken lassen. Gemeinsam hatten sie gelacht, bei dämlichen Liebesschnulzen im Kino hatte sie hemmungslos an seiner Schulter geheult. Und als er sie zu einer Achterbahnfahrt auf der Kirmes überredet hatte, bei der sie vor Entsetzen – in ehrlicher Todesangst – brüllte, hatte er sich nicht über sie lustig gemacht.
Nicht sehr.
Hatte sie geweint, weil sie ihm von ihrer Mom erzählte oder von all den anderen Dingen, die sie bedrückten – außer dem einen – dann hatte er schweigend ihre Hand gehalten und mit dem Daumen ihre Haut gestreichelt. Was das gesamte Desaster sofort in einem etwas rosigeren Licht dastehen ließ. Über jedes verdammte Thema hatten sie gesprochen, teilten meist die gleichen Ansichten und wenn nicht, führten sie die hitzigsten Debatten, ohne einander tatsächlich zu verletzen.
Nie hatte sie vergessen, dass ihre Liebe zu ihm keine Zukunft besaß. Aber ihm war es durch seine liebenswerte, sympathische, offene Art gelungen, dass es sich wenigstens nicht länger so bitter anfühlte.
Nachdenklich, mit von Tränen halb blindem Blick, betrachtete sie das lederne, schlichte Armband an ihrem rechten Handgelenk. Damit hatte er sie eiskalt erwischt. Nach der Appartementgeschichte und darüber hinaus dem Scheck hätte sie ihm eine so feinsinnige Tat niemals zugetraut. Wohl oder übel musste sie endlich einsehen, dass er nicht halb so oberflächlich war, wie sie ihm immer unterstellte. Vielleicht behielt Victor tatsächlich recht und sein Sohn veränderte sich. Grübelnd rief sie sich den Michael von damals, wie sie ihn kennengelernt hatte und den von heute vor Augen. Gut, den von vor einer Woche, denn seitdem sah sie ihn ja nicht mehr. Und auf Beerdigungen und Testamentseröffnungen zeigte man selten sein wahres Ich.
Ja, er schien verändert. Leider traf dies auf die Gesamtlage keineswegs zu. Nach wie vor handelte es sich um ihren Chef, außerdem wollte er immer noch nicht das, was sich Stevie in ihrer grenzenlosen Dämlichkeit wünschte.
Alles.
Übrigens war ihr dieser, so bescheidene Wunsch ungefähr in der gleichen Sekunde aufgegangen, in der sie erkannt hatte, dass sie ihn liebte. Was auch nicht gerade ein Grund zum Feiern war, denn es verschärfte die Sachlage sogar weiter.
Scheiße!
Die Chef – Assistentin - Hürde hätten sie inzwischen überwinden können. Die fünftausend Dollar von Victors Stiftung genügten, um das zu bewerkstelligen.
Was eine glatte Untertreibung war. Bisher war es Stevie nicht wirklich gelungen, sich mit den gravierenden Veränderungen in ihrem Leben auseinanderzusetzen, doch sie ließen sich nicht von der Hand weisen.
Endlich konnte sie sich ein besseres Appartement nehmen, ein Auto kaufen, moderne Kleidung, einen Mantel – ja, Michael, auch den! - möglicherweise einmal eine Reise unternehmen ...
... und sie hätte sofort ihren Job bei ihm aufgeben können. Wie wunderbar das von Victor eingefädelt worden war. Bitter lächelte Stevie in sich hinein. Mr. Rogers musste geglaubt haben, wenn er Stevie die Möglichkeit einräumte, unabhängig von Michael zu leben, würde der seine Meinung vielleicht ändern. Allein der Gedanke, dass dessen Dad einer
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