Erstens kommt es anders ... (German Edition)
Verbindung zwischen Michael und ihr zugestimmt hatte, ließ die Tränen gleich noch einmal so schnell fließen. Hastig fuhr sie sich über die Wangen und schloss die Lider.
Mit Sicherheit hatte er es gut gemeint, nur würde es leider nicht funktionieren.
Weil Michael dummerweise nicht auf diese Art funktionierte.
Dessen Vater war von ganz andersartigem Charakter gewesen. Fast vierzig Jahre lang hatte er ein und derselben Frau die Treue gehalten, Kinder mit ihr großgezogen, eine Einheit gebildet. Und offenbar war ihm dabei versehentlich verborgen geblieben, dass sich sein Sohn so gar nicht für eine dauerhafte, feste Beziehung eignete.
Am Montag nach der Beerdigung erschien sie wieder in der Arbeit. Dort teilte ihr ein sehr reservierter Michael mit, dass er in den folgenden zwei Wochen Urlaub nähme und beabsichtige, die Kanzlei über diesen Zeitraum zu schließen.
Sein Lächeln wirkte nicht einmal annähernd echt. »Sie haben ausreichend Resturlaub aus dem vergangenen Jahr aufgespart. Nutzen Sie ihn in den kommenden Tagen und ruhen Sie sich aus.« Und damit ging er.
Einfach so.
Mangels Alternative versuchte Stevie, sich in der Arbeit für die Stiftung zu vergraben. Kurzerhand okkupierte sie die Büroräume, traf sich mit Aaron Mitchel und Diana, besprach Projekte und Empfänge, die in diesem Jahr gegeben werden würden. Eine Gedenkveranstaltung zu Victors Ehren legten sie auf Anfang September, somit würde die Etikette auf jeden Fall gewahrt bleiben.
Aaron überraschte sie als unkomplizierter, aber sehr cleverer und patenter Mann. Stevie kam dahinter, dass er zwar erst seit Neustem dem Vorstand angehörte, jedoch seit über dreißig Jahren Victor in dessen Arbeit unterstützt hatte.
Ebenso verwundert war Stevie über das wahre Ausmaß, in dem diese Stiftung agierte und über welche Finanzmittel sie in Wahrheit verfügte. Bisher hatte sie ausschließlich die verwaltungstechnischen Angelegenheiten betreut, Dinge, die das tägliche Geschäft betrafen. Erst jetzt erfuhr sie von den unzähligen Hilfsprojekten, den vielen Millionen Dollar, die in der Zwischenzeit gespendet und entsprechend investiert worden waren.
Wie hatte sich Victor damals ausgedrückt?
»Inzwischen können wir durchaus den einen oder anderen internationalen Erfolg vorweisen.«
Also das war mit Abstand die Untertreibung des Jahrhunderts!
Einzig ihren Treffen mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden konnte sie nicht wie im Testament verfügt nachkommen. Der weilte nämlich noch immer außer Landes.
Egal, wie sehr Stevie sich bemühte, genau das zu vermeiden, irgendwann fand sie sich immer in ihrem leeren, einsamen Appartement wieder und starrte Löcher in die Luft.
Hierbei handelte es sich mit Sicherheit um die schwersten Stunden, denn während eines dieser miesen Anlässe, erwischte sie zuverlässig irgendein ungebetener Tiefpunkt.
In einer dieser absolut niederschmetternden Phasen platzte eines Tages Diana herein. Diesmal ohne Marcels Begleitung. Grinsend stand sie vor Stevies Tür, hielt der eine Flasche Wein entgegen. Und bevor sie auch nur ein »Hallo«, hervorwürgen konnte, war diese bereits geöffnet und die beiden saßen auf der Couch.
Diana plapperte von Gott und der Welt, irgendwelchen Leuten, mit denen sie geschäftlich zu tun hatte, dem Wetter und der nicht vorhandenen Sonne. Obwohl mittlerweile der März herrschte. Aus Erfahrung wusste Stevie, dass vor Mai auch kein Grund zur Hoffnung bestand.
Sie ließ Diana reden, trank ihren Wein, nickte, wenn es angebracht schien, schüttelte den Kopf, wenn Dianas Geschwafel das erforderte, und versuchte nebenbei angestrengt, an nichts zu denken. Daher traf sie deren Angriff relativ unvorbereitet.
»Was ist los?«
Hastig riss Stevie die Lider auf. »Wa…? Nichts. Wirklich!«
Diana füllte in aller Seelenruhe ihre Gläser nach. »Es ist ungewöhnlich, dass er zu diesem Zeitpunkt Urlaub nimmt«, bemerkte sie beiläufig.
»Die momentane Situation ist ja auch ungewöhnlich.« Stevies Lächeln fiel recht matt aus.
»Sicher ...«
Schweigend tranken sie ihren Wein, bis Dianas zweiter Angriff erfolgte. Die kamen immer wohldosiert. »Wusstest du, dass die Kanzlei seit über vierzig Jahren nicht geschlossen war? Für keinen einzigen Tag?«
Stevie schüttelte den Kopf.
Nachdenklich nickte Diana. »Ja, Dads Tod hat alles verändert ...« Ohne Luft zu holen, wechselte sie das Thema. »Wirst du kündigen?«
»Nein!«
»Warum?«
Seufzend versteckte Stevie sich hinter ihrem Weinglas.
Sicher
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