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Erstens kommt es anders ... (German Edition)

Erstens kommt es anders ... (German Edition)

Titel: Erstens kommt es anders ... (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kera Jung
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endlose Briefe auf.
    Kurzschrift wurde seit Erfindung des Diktiergerätes, also seit ungefähr dreißig Jahren, nirgendwo mehr gelehrt. Schon gar nicht während eines Jurastudiums an Harvard. Daher hatte Stevie sich notgedrungen ihre eigene Technik angeeignet.
    Niemand hätte ihre Hieroglyphen entziffern können (Michael übrigens auch nicht, ha!) und stattdessen auf außerirdische Besucher getippt, die sich heimlich daran machten, die Weltherrschaft zu ergreifen. Doch sie sah sich endlich in der Lage, sein Tempo zu halten. In jeder Situation, auch wenn er sich wieder einmal in Begeisterung redete.
    Von Enthusiasmus konnte derzeit keine Rede sein. Der letzte Satz lag bereits etliche Sekunden zurück, und seitdem herrschte Stille. Angespannt wartete sie. Da jedoch nichts geschah, blickte sie schließlich fragend auf und ihre Blicke trafen sich.
    Michael sagte nichts, aber um seine Lippen lag ein sanftes Lächeln, der Kopf war leicht zur Seite geneigt und seine Augen funkelten. Es dauerte einen langen, sehr peinlichen Moment, bevor er sich mit einem Ruck besann und fortfuhr. Für Stevie bedeutete dieser eher unspektakuläre Zwischenfall einen zarten Hinweis darauf, dass sie zu weit gegangen war.
    Mist!
    Sie durfte nicht hübsch sein! Endlich am Ziel ihrer Wünsche angelangt – seiner Ignoranz – fiel ihr nichts Besseres ein, als ihn zu provozieren. Wütend warf sie an diesem Abend die Appartementtür ins Schloss, noch bedeutend zorniger ging sie wenig später zu Bett. Und am nächsten Morgen achtete sie sorgsam darauf, kein Make-up aufzulegen, ihr Haar auf die übliche Weise streng aus dem Gesicht zu kämmen und mit einer neuen Haarspange im Nacken zu befestigen.
    Analog zu ihrer Stimmung hatte sich auch das Wetter geändert. Es goss in Strömen, einen Schirm besaß sie nicht, daher triefte sie beim Betreten des Büros ein wenig. Der Versuch, sich zu trocknen, misslang auch auf ganzer Linie.
    Gott sei Dank trug sie heute wenigstens kein Make-up.
    Erneut verstummte er ganz plötzlich beim Diktat.
    Diesmal hielt Stevie den Kopf gesenkt. Aus Fehlern wurde man schließlich klug. Und da sie bereits in der Ausgangsbasis alles andere als dumm ...
    Das dumpfe Dröhnen seiner Faust, die auf dem Tisch landete, ließ sie jäh zusammenfahren. Kurz darauf ertönte sein auch nicht gerade sanftes Stimmchen:
    »Verdammt noch mal, wie siehst du heute bloß aus?«
    * * *

ein Zorn.
    Das erkannte Michael, als sie behutsam die Tür hinter sich geschlossen hatte. Was er im Moment empfand, schien viel vernichtender.
    Kapitulation.
    Unmissverständlicher konnte Stevie nicht demonstrieren, dass sie ihn nicht wollte. Und in dieser unbeherrschten, niedergeschlagenen Sekunde schwor er sich, es endlich dabei zu belassen. Ja, er liebte sie. Angesichts des Ausmaßes dieser unbedeutenden vier Worte lachte er trocken auf. Und wie er sie liebte, verdammt! Er hätte so etwas bis vor Kurzem nicht für möglich gehalten.
    Doch selbst die größte, ehrlichste Liebe erschien relativ unsinnig, wenn sie nicht erwidert wurde. Wenn Stevie nicht einmal in einer solchen Situation zeigen konnte, dass ihre Gefühle ähnlich lagen, dann taten sie es einfach nicht! Eine zwangsläufige Schlussfolgerung.
    Nach einer halben Stunde sah er sich sogar in der Lage, ihr gefahrlos gegenübertreten und sie nach Hause schicken zu können. Und sobald sie das Haus verlassen hatte, ergriff auch Michael die Flucht.
    Einsamkeit.
    Bisher für ihn nur ein inhaltsloses Wort. Eines von vielen Tausenden, die in der Gesamtheit die englische Sprache ausmachten. In den nächsten Tagen und Wochen sollte er langsam hinter dessen Bedeutung gelangen.
    Es gab niemanden, mit dem er sprechen wollte; nur der Anblick anderer Menschen schien bereits zu viel. Nur ein einziger Wunsch beseelte ihn derzeit: Fort!
    Irgendwohin, wo er die Chance bekam, endlich zu sich zu finden. Momentan existierte von Michael Rogers nicht mehr viel, und das machte ihm unvorstellbar zu schaffen. Es galt, diesen unerträglichen Zustand so schnell wie möglich zu ändern.
    Aus dem Garderobenschrank griff er die nächstbeste Jacke – hatte Glück, denn sie gehörte tatsächlich ihm – und stürzte aus dem Haus.
    Zunächst glaubte Michael, die Richtung rein zufällig gewählt zu haben, doch spätestens vor der Bank, erkannte er seinen Irrtum. Resigniert setzte er sich und versuchte, seine Gedanken zu ordnen.
    Es gelang ihm an jenem Tag nicht – einem der grausamsten seines Lebens. Auch nicht am Folgenden, an dem er

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