Erstens kommt es anders ... (German Edition)
solche persönlichen Anschläge lauerten, keineswegs ungern. Diesmal war ihm in der Tat etwas gelungen, dessen Brillanz man schwerlich überbieten konnte.
Warum er Marcel auf diese Weise begünstigte, schien offensichtlich.
Aber Stevie ...
Während Michael darüber nachgrübelte, ob seine Gefühle tatsächlich so deutlich erkennbar für seinen Dad gewesen waren, holte Meisterstück Nummer zwei ihn jäh in die Realität zurück.
Sein erster Gedanke lautete:
Sie wird dich verlassen! Und wenn du Glück hast, siehst du sie ab sofort noch dreimal im Jahr. Oh, Dad, was hast du dir dabei gedacht? Selbstverständlich versuchte er, in ihrem Gesicht zu lesen, doch Stevie verfügte über zu viel Selbstbeherrschung, keine Regung war ihrer Miene zu entnehmen. Wenn überhaupt, dann wurde sie vielleicht ein wenig blasser.
Bevor Michael jedoch damit beginnen konnte, sich seinen schlimmsten Albtraum bildlich vorzustellen, ließ Birch die ultimative Bombe hochgehen und er hätte fast aufgelacht.
Dieser alte Haudegen! Weit verbreitet hatte Victor Rogers als lammfromm gegolten. Aber auch bloß bei den Menschen, die nicht innerhalb seiner Anwaltszeit mit ihm in Berührung gekommen waren. In diesen Kreisen genoss er den Ruf, mit allen Wassern gewaschen zu sein und seine Coups so galant über die Bühne zu bringen, dass seinen Opfern regelmäßig erst viel zu spät aufging, dass sie erfolgreich über den Tisch gezogen worden waren.
Über viele Jahre hatte Michael seinem Vater nachgeeifert. Vergebens. Er gebärdete sich viel zu aufbrausend und zu impulsiv, verscherzte sich dadurch vieles, und irgendwann verbuchte er den Versuch, ein zweiter Victor Rogers zu werden, als gescheitert. Eine Zeit lang hatte er dennoch geglaubt, sein Temperament am Ende doch noch gezügelt zu haben. Bis diese unglaublich nervende, winzige Person beschloss, sein Leben einmal gründlich auf den Kopf zu stellen.
Und sein Vater schien dem Chaos, zu dem Michaels Leben verkommen war, den letzten Schliff zu geben. Langsam ging ihm auf, was genau mit der Aktion bezweckt worden war und er konnte sein bitteres Lächeln nicht verhindern.
Touché, alter Herr. Du warst wirklich clever. Nur leider wird das so nicht funktionieren. Weil Stevie nicht so funktioniert.
Irgendwie brachte er auch den nächsten Freitag hinter sich, ohne zu ihr zu gehen.
Stattdessen beobachtete er sie aus sicherer Entfernung, als sie auf der Bank saß. Was zu einer echten Herausforderung mutierte, als er sie weinen sah. Doch er konnte nicht zu ihr gehen!
Noch nicht und schon gar nicht hier.
Ihm war nämlich ein grausamer Fehler unterlaufen. Auch das ging ihm erst langsam auf, als er sie in den folgenden Stunden betrachtete. Reglos weinend auf der Bank, den Kopf gesenkt, den Blick auf ihre ineinander verschlungenen Hände gerichtet, während glitzernde Tränen über ihre Wangen liefen. Bisher hatte er geglaubt, irgendwann würde sie seine wahren Gefühle erkennen. Einer der dümmsten Trugschlüsse, dem er jemals aufgelaufen war, wie sich jetzt zeigte. Möglicherweise hatte er Stevie damit sogar in Sicherheit gewogen. Wie ein naiver Teenager war er in die Falle getappt, anstatt das zu sein, was er nun einmal darstellte:
Ein Mann.
Und ihr zu zeigen, was er wollte:
Sie.
Denn Stevie sah in ihm einen Freund, keinen Mann. Zweifellos hielt sie sich gern in seiner Gesellschaft auf, doch er durfte sich ihr nie so nähern, wie er es wünschte, brauchte, ersehnte, mittlerweile sogar ausnehmend verzweifelt. Diese sogenannte Freundschaft musste ein Ende haben, weil sie immer eine Lüge gewesen war. In gewisser Hinsicht hatte er sie sogar betrogen. Anstatt einer Freundin wollte Michael eine Frau.
Diese! Und dass das weibliche Geschöpf seiner Träume zufälligerweise einen der klügsten Köpfe auf ihrem süßen Hals trug, denen er jemals begegnen durfte, entsprach einer glücklichen Fügung des Schicksals. Dass sie auf intellektueller Ebene so grandios miteinander harmonierten, konnte man ebenfalls als Glück bezeichnen. Dass zwischen ihnen niemals dieses peinliche Schweigen entstand, weil man sich plötzlich nichts mehr zu sagen hat, entsprach reinem Glück! All diese glücklichen Fügungen des Schicksals änderten an einer Tatsache jedoch nicht das Geringste:
Er wollte diese Frau. Alles von ihr. In all den Monaten hatte er Stevie und nicht zuletzt sich selbst gnadenlos betrogen.
Und das würde jetzt aufhören!
Mit einem Aufatmen schickte Michael sie an jenem Montag wieder heim.
Jetzt musste
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