Erstkontakt
das Atom und spreche mit den Toten. Und Gott kennt mich nicht.
Der Sender berichtete noch über viele weitere Passagen, die alle in ähnlicher Sprache verfaßt waren.
Harry, der sich zu Hause die Sendung ansah, spürte, wie ihm ein eisiger Schauer über den Rücken rieselte.
Ebenso erging es dem Kardinal.
Sein Telefon klingelte um Viertel nach neun, und er rief seinen Stab um zehn zusammen. Barnegat war nicht zu erreichen; er hielt sich in Chicago auf. Cox und Dupre trafen kurz nacheinander ein und waren bereits in eine hitzige Diskussion vertieft, als Jesperson mit Joe March erschien, dem Leiter der Gesellschaft für die Verbreitung von Glaubensinhalten. March gehörte nicht zum engen Mitarbeiterkreis des Kardinals; aber der hatte es sich zur Angewohnheit gemacht, Personen zu seinen Konferenzen zu berufen, von denen er neue Erkenntnisse und interessante Diskussionsbeiträge erwartete. Dupre, der die Fernsehsendung gesehen hatte, war entrüstet. »Kommunikation mit den Toten! Das ist doch absurd! Ich kann nur hoffen«, fuhr er fort, »daß die Presse eines Tages doch so etwas wie Verantwortungsgefühl entwickelt. Sie haben sich zu der wohl aufsehenerregendsten Interpretation verstiegen, die man sich vorstellen kann. Dabei rechtfertigen die Transkripte von Goddard eine solche Deutung keinesfalls.«
»Ich sehe überhaupt nicht, warum es soviel Aufregung um diese Dinge gibt«, sagte Cox. »Diese Dinge sind vor einer Million Jahren passiert. Aber wenn auch nur die vage Möglichkeit existiert, daß Menschen von diesen Geschichten irregeleitet werden, müssen wir handeln. Dazu sind wir verpflichtet.«
Dupres Augenbrauen zogen sich zusammen. »Ich kann mir nicht vorstellen, daß irgend jemand dieses sonderbare Zeugs ernst nimmt, so lange wir es nicht ernst nehmen. Wird der Vatikan eine Stellungnahme abgeben?« fragte er.
»Nach einiger Zeit. Sie wollen nicht den Eindruck erwecken, als wären sie von den Ereignissen überrollt worden.« Jesperson gestattete sich ein Lächeln. »Sie haben Seine Heiligkeit sicherlich mitten in der Nacht aus dem Bett geholt. Es fand eine Art Konferenz statt. Ich habe heute morgen mit Acciari gesprochen. Er hält das Ganze für ein Komplott der Westmächte als Revanche für die Weigerung des Heiligen Stuhls, sie im Mittleren Osten zu unterstützen.«
Cox wirkte gelangweilt. »Haben Sie eine Ahnung, wie die offizielle Position aussehen wird?«
»Das haben sie noch nicht entschieden. Aber Acciari glaubt, daß Seine Heiligkeit die Stichhaltigkeit der Interpretation in Zweifel ziehen und einige Bemerkungen dazu machen wird, in welche Richtung sich die moderne Gesellschaft mittlerweile entwickelt.«
»Mit anderen Worten«, sagte Cox, »werden sie allen mitteilen, sie sollten das Ganze einfach ignorieren.«
»Eine vernünftige Position«, sagte Dupre. »Wir sollten das Gleiche tun.«
»Hören Sie, Phil«, widersprach Cox. »Welchen besseren Weg gibt es denn, jedermann darauf aufmerksam zu machen, daß die ganze Affäre uns ziemlich durcheinander bringt?« Er betrachtete Dupre mit zusammengekniffenen Augen, als prüfe er eine Rechnung nach. »In Italien kann man so etwas offensichtlich gefahrlos tun. Aber nicht hier. Die Medien werden Fragen aufwerfen, und wir können zur Antwort nicht einfach mit den Achseln zucken.«
»Jack«, meinte Dupre mit allmählich anschwellender Stimme, »ich verlange ja gar nicht, daß wir den Leuten erzählen, sie sollten einfach wegschauen. Aber ich denke, wir sollten vorsichtig sein und darauf achten, daß wir niemanden über Gebühr beunruhigen. Der Vatikan hat völlig recht: Die Texte sind reine Poesie. Ohne jeden Kontext. Wenn sie nicht Teil dieser außerirdischen Botschaft wären, würde sie kein Mensch beachten. Ich denke, wir handeln durchaus richtig, wenn wir uns fürs erste keine neuen Probleme schaffen. Wir ignorieren die Angelegenheit. Das wird keine negativen Folgen haben. So sollten wir damit meiner Meinung nach umgehen.«
Cox schüttelte den Kopf. »Die Menschen werden Antworten verlangen. Und ich glaube nicht, daß wir schon welche parat haben, denn bislang gibt es noch nicht einmal richtige Fragen.«
»Die Affäre ist im Grunde lächerlich«, sagte March, ein Mann, der in seinem schwarzen Talar eine unerschütterliche Sicherheit ausstrahlte. »Lebende, die mit Toten reden. Gott würde so etwas niemals zulassen. Wir sollten dieser Behauptung keine Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit schenken, das ist auch meine Meinung.«
Dupre
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