Erstkontakt
gute Vorstellung über ihre Mindestfähigkeiten. Und das ist auch etwas Seltsames: Ihre Lebensspanne ist unter jedem vernünftigen Aspekt außerordentlich kurz.«
»Kurz?« fragte Gambini. »Sie sprachen gerade von einhundertfünfzig Jahren!«
»Das ist nicht viel für eine Spezies, die den exakten Aufbau ihrer DNS bestimmen kann.«
»Vielleicht fügen sie irgendwie zusätzliche Jahre an«, sagte Harry, »nach der Geburt anstatt davor.«
»Nein«, sagte Majeski. »Das wäre zu umständlich.«
»Richtig.« Hakluyt lächelte. »Warum sollen Sie an Hunderten von Individuen Veränderungen vornehmen, wenn ein einziges Mal reicht? Ich verstehe das nicht: Sie scheinen sich ganz bewußt dafür entschieden zu haben, recht früh zu sterben.«
»Mir kommt da ein Gedanke«, sagte Leslie. »Vielleicht haben wir es mit einer Spezies zu tun, die einen komplexen Lebenszyklus durchläuft. Und wenn wir sie richtig verstehen, reden sie mit ihren Toten. Vielleicht haben wir ihre Terminologie fehlinterpretiert, und sie meinen mit ›tot‹ eigentlich eine Form von Ruhe- oder Wandlungsphase. Cy, weist irgend etwas in ihrem physischen Aufbau darauf hin? Auf eine Art von Verpuppungsphase oder dergleichen?«
Hakluyt schüttelte den Kopf. »Nicht daß ich wüßte. Aber mittlerweile bin ich mir nicht mehr sicher, ob es überhaupt eine Bedeutung hat, wenn ich etwas nicht erkennen kann. Bisher ist nur eins klar: Solange nicht irgendein unbekannter Faktor existiert, und das wäre sehr leicht möglich, dürfte das Wesen, das sich aus dem uns übermittelten DNS-Plan entwickelt, den gleichen organischen Tod erleiden wie jede andere terrestrische Lebensform.«
Wheeler nickte und strich eine Bemerkung auf seinem Notizblock durch. »Ich bin überrascht«, sagte er, »daß es ebenfalls die DNS ist, die die genetischen Eigenschaften steuert. Gibt es denn keine anderen Möglichkeiten?«
»Doch«, sagte Hakluyt sehr hastig. »Diacetylene könnten funktionieren. Oder Kristalle. Aber diese Alternativen sind nicht so flexibel oder so wirkungsvoll wie die Nukleinsäuregruppe. Tatsächlich hat die Natur in diesem Bereich überraschend wenige Möglichkeiten.«
»Dr. Hakluyt«, sagte Harry, »Sie sagen, die Altheaner hätten die Mittel zur Verfügung, um Leben zu verlängern. Kennen Sie mittlerweile einige dieser Mittel?«
»Carmichael, Sie sehen aus, als seien Sie, sagen wir, um die fünfzig, ja?«
»Ein bißchen jünger«, sagte Harry. »Ich hatte ein ziemlich hartes Leben.«
Hakluyts Lächeln veränderte sich nicht. »Sie können vielleicht noch mit dreißig weiteren Jahren rechnen. Vielleicht vierzig, wenn die augenblickliche durchschnittliche Lebenserwartung repräsentativ bleibt. Bis dahin werden Ihre Haare weiß sein, ihr Blut wird ein wenig langsamer durch Ihre Adern fließen, und die Erinnerung an die Jugend wird für Sie schmerzvoll sein.« Sein Blick fiel auf Leslie. »Und wie wird es Ihnen wohl in vierzig Jahren gehen, Dr. Davis?« fragte er grausam. »Und warum, glauben Sie, ist das so? Warum bricht Ihr Körper in einer so kurzen Zeit zusammen? Gambini, sind achtzig Jahre eine lange Zeit?«
Gambinis Blick löste sich nicht von seinem Notizblock.
»Fragen Sie einen Kosmologen«, sagte Hakluyt, »und Sie haben jemanden vor sich, der wirklich etwas von Zeit versteht. Nun, ich werde Ihnen verraten, warum Sie so schnell verfallen: weil Ihre DNS Sie ausschaltet!«
»Erklären Sie das bitte«, sagte Wheeler.
»Es ist ganz einfach.« Harry hatte das Gefühl, als würde Hakluyt jeden Moment ein Quiz veranstalten. »Wir haben immer angenommen, daß der Alterungsprozeß lediglich eine Häufung von Abnutzung und Verschleiß, von Krankheiten, sonstigen Schäden und Mißbrauch ist, bis die Fähigkeit des Körpers, sich selbst zu erneuern, am Ende überfordert wird. Aber das ist es nicht. Die DNS, die wir bei uns tragen, steuert die Evolution. Einige Leute betrachten sie gerne als eine Art eigenständiges Wesen, das seine eigene Entwicklung betreibt und andere Lebewesen als« – er schaute die Wände an und suchte nach dem richtigen Begriff – »Behälter benutzt. Auf jeden Fall besteht eine ihrer Funktionen darin, dafür zu sorgen, daß wir unserer Nachkommenschaft nicht im Wege sind. Daher tötet sie uns.«
»Auf welche Art und Weise?« fragte Majeski.
»Sie schaltet den Reparaturmechanismus ab. Ich denke, das geschieht gerade bei Ihnen, Cord, jetzt, in diesem Augenblick. Einige von uns wurden schon vor längerem abgeschaltet; mit der Zeit
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