Erstkontakt
geht es Julie?« fragte Wheeler beiläufig.
Harry war überrascht. »Ich wußte gar nicht, daß Sie sie kennen.«
»Sie nahm einmal an einem der Direktionsessen vor zwei Jahren teil.« Wheeler schaute nach Westen und kontrollierte seine Uhr. Der Mond trieb bereits dem Horizont entgegen. »Der Komet ist verschwunden.«
Harry murmelte etwas Unverständliches.
»Sie ist eine Frau, die man nicht leicht vergißt«, fügte Wheeler hinzu.
»Danke«, murmelte Harry. Sie gingen über den knirschenden Kies zu Wheelers Wagen, einem beigefarbenen Saxon jüngsten Datums. »Wir haben im Augenblick ein paar Schwierigkeiten.«
»Das tut mir leid.«
Harry zuckte die Achseln. Wheeler schaute sich suchend um. »Ich sehe Ihren Wagen nicht.«
»Er steht am Vordereingang. Ich bin zu Fuß hergekommen.«
»Kommen Sie«, sagte er. »Ich bringe Sie hin.«
Sie verließen den Parkplatz, überquerten die Greenbelt Road, fuhren auf den Parkplatz am Haupteingang und hielten neben Harrys Chrysler. »Haben Sie noch ein paar Minuten Zeit?« fragte Harry.
»Wenn Sie reden wollen«, meinte Wheeler.
Er beschrieb das Abendessen mit Julie, das ein so trauriges Ende genommen hatte, und erzählte ihm, das sie bereits ausgezogen sei. Harry verbarg (jedenfalls versuchte er es) seine Verärgerung, gab sich jedoch keine Mühe, seine Unfähigkeit zu kaschieren, ihre Handlungsweise zu verstehen. Als er seinen Bericht beendet hatte, verschränkte er wie zum Schutz die Arme vor der Brust. »Sie müssen mit solchen Dingen ja sehr viel Erfahrung haben, Pete. Wie stehen die Chancen, daß sich alles wieder einrenkt?«
»Ich weiß nicht, ob ich tatsächlich soviel Erfahrung habe«, sagte Wheeler. »Erst einmal leisten Norbertiner keine seelsorgliche Arbeit, es sei denn, man wird mit häuslichen Problemen konfrontiert. Ich bin in dieser Richtung niemals tätig gewesen. Aber ich kann Ihnen einen guten Ratgeber empfehlen, wenn Sie es wünschen. Sie sind kein Katholik, oder, Harry?«
»Nein.«
»Tut auch nichts zur Sache, ich kann Ihnen auch einiges darüber sagen, wie ein Seelsorger dieses Problem betrachtet, wie es überhaupt dazu kommt, und welche Lösungen meistens empfohlen werden.«
»Schießen Sie los«, sagte Harry.
»Aus dem, was Sie mir erzählt haben, schließe ich, daß es keinen anderen Mann gibt, daß keine Geldprobleme vorliegen, keine Alkoholexzesse und daß niemand mit einer gewissen Regelmäßigkeit körperlicher Gewalt ausgesetzt wird. Wenn es nun keinen einleuchtenden, auf der Hand liegenden Grund dafür gibt, daß eine Ehe, die über einen längeren Zeitraum weitgehend harmonisch verlaufen ist, plötzlich gestört erscheint, so liegt es in den meisten Fällen daran, daß die beiden beteiligten Menschen kein gemeinsames Leben mehr führen, sondern sich jeder einen eigenen Lebensbereich geschaffen hat und beide nicht mehr so häufig zusammenkommen, außer vielleicht bei den Mahlzeiten und zur Schlafenszeit. Beide Partner bemerken es vielleicht nicht einmal bewußt, aber die Ehe ist zur Last geworden, entweder für einen der beiden oder für beide. Sie haben in Ihrem Arbeitsbereich eine recht hohe Position inne, Harry. An wie vielen Abenden in der Woche arbeiten Sie zusätzlich?«
»An zwei oder drei Tagen«, sagte Harry, dem es offensichtlich nicht paßte, welche Wendung das Gespräch genommen hatte.
»Und wie sieht es an den Wochenenden aus?«
»Etwa eins pro Monat.«
»Nur an einem Wochenende?«
»Nun, tatsächlich habe ich praktisch an jedem Wochenende etwas zu tun.« Harry wand sich. »Aber das fordert mein Job. Es ist schließlich keine Acht-Stunden-Angelegenheit.«
»Es ist durchaus möglich«, fuhr der Priester ungerührt fort, »daß Sie, wenn Sie wirklich zu Hause sind, nicht sehr viel Zeit für Ihre Frau haben.«
Harry dachte darüber nach. »Nein«, sagte er, »ich glaube, das stimmt nicht. Wir gehen recht regelmäßig miteinander aus, ins Kino, ins Theater und gelegentlich auch in einen der Nachtclubs im Ort.«
»Sie wissen es ja viel besser als ich«, sagte Wheeler.
»Passiert so etwas denn oft? Ich meine zwischen Leuten, die schon längere Zeit verheiratet sind? Ich dachte immer, wenn man die ersten beiden Jahre heil übersteht, dann hat man es praktisch geschafft.«
»So etwas passiert dauernd.«
»Was kann ich tun?« fragte Harry. »Ich glaube, zum Reden ist sie jetzt noch nicht bereit.«
Wheeler nickte. »Harry, Ehen sind nur sehr mühsam zu retten, wenn sie erst einmal angefangen haben zu bröckeln. Es tut
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