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Ertränkt alle Hunde

Ertränkt alle Hunde

Titel: Ertränkt alle Hunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Adcock
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der irischen Rasse, da jeder den Gag über unser Glück kennt, hä? Das Problem mit der Hoffnung ist, daß nur dann was dabei rauskommt, wenn zumindest etwas Sinn und Verstand dahintersteckt. Und weißt du, was Bruder Behan über gesunden Menschenverstand und uns Leute gesagt hat?«
    »Was?«
    »Wenn es Suppe vom Himmel regnete, würden die Iren alle mit Gabeln in den Händen aus ihren Häusern gerannt kommen.«
    Mogaill lachte wieder, auch nicht glücklicher als zuvor. Ich bestellte neue Drinks und beschloß, daß der richtige Augenblick gekommen war, Klartext in unsere Unterhaltung zu bringen.
    »Welchen Sinn erkennst du in Poesie, versteckt hinter dem Bild eines irischen Soldaten?« fragte ich.
    »Es steht mir nicht zu, daraus schlau zu werden, Detective Hockaday.« Mogaills Worte waren verschliffen, aber nichtsdestoweniger sorgfältig gewählt. »Ich fürchte, das ist allein dein Fall. Und welchen größeren Fall könnte ein Detective knacken als das Geheimnis seiner eigenen Herkunft?«
    Eine ganze Weile schwiegen wir dann. Ich für meinen Teil dachte über all das Brüten nach, das mir während der langen, dunklen Stunden unseres Fluges nach Irland bevorstand, zu jenem Ort, an dem mein Onkel Liam sterben würde; wo ich den letzten aus der Familie meines Vaters sehen würde. Willst du es wirklich wissen? Soviel, über das es zu brüten gab: Politik, versteckte Poesie, einen Soldaten, verschwunden im Nebel, meinen Rabbi und meinen Priester und den Nebel des Zauderns in ihren Stimmen. Und Ruby.
    »Hast du«, fragte ich schließlich, »schon einmal daran gedacht, wieder zu heiraten, Davy?«
    »Du kannst einem Löcher in den Bauch fragen und einen schrecklich durstig machen!« sagte Mogaill. Dann bestellte er eine weitere Runde. Mir drehte sich ohnehin schon der Kopf, doch lehnte ich nicht ab; ich konnte nicht mehr denken, was mich aber weder daran hinderte, mein Gerede zu bremsen noch die des Kneipendichters. Mogaill sagte: »Wenn ich nachts von Frauen träume, bin ich so normal wie jeder andere. Ich habe eine ungeheuer wichtige Sache gelernt, die die meisten von uns über das andere Geschlecht niemals lernen.«
    »Was könnte das wohl sein?«
    »Die Anziehungskraft, die Frauen auf uns Männer ausüben, mein Freund, ist die gleiche Anziehungskraft, die Cape Hatteras auf den Seemann ausübt. Frauen sind ungeheuer gefährlich, wodurch sie ungeheuer faszinierend werden.«
    »Es gibt eine Frau in meinem Leben...«
    »Erzähl.«
    Was ich dann auch tat. So viel und so lange, daß das Tageslicht hinter den verschmierten Fenstern von Nugent’s verschwand und zunächst durch Schatten und Dämmerung ersetzt wurde, dann durch die Vergebung der Nacht.
    Vergebung.
    »Ich muß los«, sagte ich schließlich.
    »So früh?« sagte Mogaill, dessen Augen vom Alkohol bereits glasig waren.
    »Morgen muß ich einen Priester aufsuchen.«
    »Gott segne dich, Neil. Wer könnte dieser Priester denn wohl sein?«
    »Father Tim Kelly von der Holy-Cross-Gemeinde in Hell’s Kitchen. Ein alter Freund der Familie. Vielleicht wird er schlau aus dem Bild meines Vaters und dem Gedicht.«
    Betrunken stand ich auf, um mich auf den Weg zur U-Bahn zu machen. Und Davy war plötzlich auf den Beinen.
    Ich erinnere mich, wie Davy an der Theke stand und einen Dollar bei Terry zwei wechselte, fürs Telefon. Er wünschte mir, daß ich an diesem Abend gut nach Hause kam, und für morgen eine gute Reise; und er warnte mich: »Tut mir leid, dir das sagen zu müssen, Hock, aber unter deinem irischen Dach wirst du keinen ruhigen Schlaf finden.«
    Und ich erinnere mich, wie ich unter der freundlichen Mißbilligung Rubys nach Hause gestolpert kam und was ich ihr erzählte, als wir im Bett lagen, sie in meinen dankbaren Armen: »Davy salbadert genauso wie ich, eigentlich sogar noch mehr, und er verwandelt seine Worte in Mauern, die sogar noch höher sind als meine.«
    Als ich vor der sich drehenden Decke meine Augen schloß, dachte ich: Habe ich das Recht auf Vergebung, weil ich in die persönlichen Traurigkeiten meiner Freunde eingedrungen war?

6

    Am späten Sonntag nachmittag suchte ich mir einen Platz in der letzten Kirchenbank und wartete darauf, daß alles vorüberging. Die monotone Messe und vielleicht auch mein Kater. Mein Bauch fühlte sich an, als sei jemand den ganzen Morgen auf Stelzen darübermarschiert, mein Kopf war wie feucht und leck, als sei mein Gehirn ein zerbrochenes Tintenfaß. Ich dachte flüchtig daran, das Trinken aufzugeben, wenigstens bis

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