Ertränkt alle Hunde
kleiner Wicht, ich bekam mächtig Angst, denn ich sah meinen Vater weinen. Es ist wie das Ende der Welt, wenn man seinen Vater weinen sieht, Neil... Ruby. Es zeichnet einen fürs Leben, Zeuge einer solchen Ohnmacht zu werden.
Nun, ich hielt mich zurück, als Daddys Tränen am stärksten liefen. Sicher, er war ein Gentleman, doch trotzdem konnte er bösartig werden, und mehr als einmal hatte ich das Gefühl, daß er drauf und dran war, mich oder Mum oder sogar das Baby zu schlagen. Allerdings nur, um etwas mit seinen Händen zu machen, denn mit seinem Leben konnte er nichts anfangen.
Aber Gott sei Dank, am Ende wurde er hungrig, und das nahm seiner Wut die Schärfe. Er rief mich zu sich an den Tisch und schnitt uns etwas Brot, dazu gab es Fleisch mit Senf als kaltes Abendessen. Ich erinnere mich gut, wie er sich entschuldigte, daß es weder Cider noch Milch gab. >Tut mir leid, aber heute abend mußt du es trocken runterwürgen, Liam<, sagte er.
Als wir fertig waren, erzählt er mir, warum er sich verhält, wie er sich verhält, erzählt, was sein Kummer bedeutet. Erst Jahre später verstand ich, daß dies mitleiderregend war - daß Daddy mir, einem kleinen Jungen, erzählte, was sein Stolz ihm verbat, je einem anderen Mann gegenüber zu gestehen.
Daddy nimmt mich in den Arm, drückt mich und bekennt: »Verzeih mir, Sohn. Wie eine schwere Last liegt der Schatten der Hungersnot auf meiner ganzen Generation. Ich bin mit den Geschichten aufgewachsen, die ich von meiner eigenen Mum und meinem Pa gehört habe, und auch von den shanachies, unseren Geschichtenerzählern. Geschichten von Menschen hier in unserem Tal, die in Gräben lagen, nachdem sie aus ihren Häusern verjagt worden waren. Grüne Flüssigkeit lief ihnen aus den Mündern, als sie nichts anderes mehr zu essen hatten außer Gras. Du mußt mir verzeihen, aber mir wurde beigebracht, nicht einen einzigen Tag ohne die Furcht zu leben, daß dies alles wieder passieren kann. Und es ist auch die Angst, die uns Pächter auf diesem Land hier hält, in diesem Haus; es ist die Furcht, die unsere Träume nach mehr getötet hat... <
Er konnte nicht weitererzählen, so sehr weinte er. Er ließ mich am Tisch sitzen und ging zum Herd, wo er wieder seinen poteen trank. Oben hörte ich Mum Schlaflieder singen. Und ich kleiner Wicht, ich wäre am liebsten fortgelaufen. Aber nicht etwa in die Arme von einem dieser beiden.
Nach einiger Zeit ruft mich Dad, daß ich mich neben ihn an den Herd setzen solle. Inzwischen ist er abgefüllt bis zum Rand, was von diesem Tag an sein normaler Zustand wurde. Ich fürchtete mich davor, ihn sprechen zu hören. Sein betrunkenes Selbstmitleid war nicht schmeichelhafter als seine Tränen.
Er sagte: >Ich muß dir etwas sagen, das du nie vergessen darfst, Junge: Die Engländer sind schuld, daß wir keine Chance haben. Nicht einer von denen glaubt, daß wir Iren mehr sind als nur dumme Esel. Hasse die Engländer, Junge! Nimm deinen Haß tief in dich auf, laß ihn in deine Nerven, in dein Fleisch und dein Blut übergehen... <
Nun, er hat es vielleicht nicht wörtlich so gesagt, aber es ist jedenfalls der wesentliche Sinn und Kern dessen, was mein alter Herr mir an diesem haarsträubenden Tag gesagt hat, an dem sich alles und jeder veränderte; der Tag, an dem dein Daddy auf die Welt gekommen ist, Neil. Ich glaube nicht, daß Myles Hockaday danach auch nur noch ein Wort von sich gegeben hat, bei dem irgendwer in Carlow weiter Notiz von ihm genommen hätte.
Mehr oder weniger wie immer verrichtete er seine Arbeit im Moor und auf dem Feld; wie ein guter, braver Esel. Als wir alt genug waren, haben Aidan und ich mitgeholfen. Unser Daddy lehrte uns die Geheimnisse der Landbestellung, genau wie sein Daddy es ihm beigebracht hatte, aber mit dem Herzen war er nie dabei. Er sah uns immer nur ganz eigenartig an, besonders Aidan; er wußte, daß wir ihn als den letzten Hockaday auf der Scholle zurücklassen und nie seinen traumlosen Glauben teilen oder seine Angst vor dem Schatten respektieren würden. Irgendwie starb er.
Über die Jahre leistete Mum auf ihre eigensinnige Art dem Verrat dadurch Vorschub, daß sie Aidan und mir gewisse Dinge besorgte... So hat Daddy es immer genannt, wenn er trank: Der Verrat seiner Söhne - der Verrat an ihm und dem Land und den Seelen aller Hockadays.
Er sagte, langsam, aber sicher bringe sie ihn um, doch Mum behauptete, es sei nur ihr uneigennütziger Wunsch, uns zu befreien; nachts stritt sie mit Daddy, richtig
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