Ertränkt alle Hunde
würde ihre Pfote drin versenken.«
»Wie kann ich da widerstehen?«
Schon bald saß ich an einem Metzgerblock in Moiras herrlich duftender Küche und hatte eine Kanne starken schwarzen Tee vor mir stehen, außerdem noch eine Schale mit in Scheiben geschnittenen Bananen und einen Teller soda bread frisch aus dem Backofen, dazu gesalzene Butter und Marmelade. Wenn Ruby nur sehen könnte, wie gut ich mich mit Moira verstand. Genaugenommen sogar ausgezeichnet. Du bist nur im Weg, allerdings. Hier war Moira und bemutterte mich wie ihren verloren geglaubten Bruder.
»Wie lange sind Sie schon hier bei meinem Onkel?« fragte ich.
»Falls Sie meinen als seine Köchin, dann erst seit Mr. Liam dieses Haus übernommen hat.«
»Sie kannten ihn schon vorher?«
»Ich kenne ihn mein ganzes Leben. Er war der Junge von nebenan, wie man so sagt - als wir noch Kinder waren.«
»Ich verstehe.« Ich versuchte, mir Moira als kleines Mädchen vorzustellen, aber ich kam einfach nicht an der tapferen Traurigkeit ihres Lächelns vorbei. »Dann stammen Sie auch aus dem County Carlow?«
»Aye ... « Besorgnis schlich sich wieder in ihren Tonfall.
»Und wann genau ist mein Onkel in dieses prächtige Haus eingezogen?«
Moira schaute auf, wanderte lautlos durch die Jahre zurück. Während sie nachdachte, bewegten sich ihre Finger, zählten die Jahrzehnte mit. »Nun, das dürfte kurz nach seiner Rückkehr aus London gewesen sein«, sagte sie. »Ganz jung noch und gebildet, hat sich in der Welt umgesehen, wie’s ein Mann so tut.«
»Damals war noch Krieg, richtig?«
»Aye, und es war eine gute Zeit für einen Mann, seine Gelegenheit beim Schopf zu packen.«
»Besonders in Irland, das ja neutral gewesen ist.«
»Aye ... « Wieder die Besorgnis.
»Tja, es ist gut zu sehen, daß ein Ire von den Schwierigkeiten Englands profitiert hat.«
Moiras Gesicht heiterte sich auf. Vielleicht hätte sie noch mehr preisgegeben, wenn ich nachgeholfen hätte. Andererseits aber hätte sie sich aber auch wieder verschließen können. Ich entschied, daß ich genug direkte Fragen gestellt hatte, daß ich nun behutsamer vorgehen sollte, besonders was die Politik betraf. Besser, wenn Ruby sie zu diesem Thema auf indirekte Weise ansprach.
»Die Arbeit hier scheint Ihnen Spaß zu machen, wo Sie ja schon so lange hier sind«, sagte ich.
»Für mich ist das keine Arbeit. Es ist meine Mission, bei Mr. Liam zu sein.«
»Wie wunderbar für Sie.«
»Oh, das ist es.« An der Schürze wischte Moira Hände ab, die nicht abgewischt werden mußten, und seufzte. Vielleicht wollte sie noch mehr sagen, aber statt dessen kehrte sie an ihre Arbeitsplatte zurück und rollte weiter Teig aus.
»Gibt’s hier irgendwo in der Nähe eine Bushaltestelle oder einen Bahnhof, von wo ich nach Dublin fahren kann?« richtete ich meine Frage an ihre breite Kehrseite.
»Wenn Sie in die Stadt wollen, kann Snoody Ihnen einen Fahrer besorgen -«
Moira sprach nicht weiter und drehte sich zu mir um. Schrecken stand ihr ins Gesicht geschrieben, ernster als der bei meinem Stolpern auf der Treppe. »Nae«, sagte sie, »Sie wollen bestimmt nicht noch eine Fahrt mit einem Auto riskieren!«
»Nein, bestimmt nicht.« In Gedanken fügte ich hinzu: Es könnte eine gute Idee sein, das Haus so bald wie möglich zu verlassen, bevor Snoody oder Onkel Liam irgendeinen Einfluß auf meine Tagesplanung nehmen konnten.
Moira sagte mir, wo ich den Pendlerbahnhof unten im Dorf fand, nur einen kurzen Fußweg vom Haus entfernt. Ich aß mein restliches Frühstück und leerte die Tasse.
Bevor ich dann nach oben ging, um Ruby von meinem ermutigenden Frühstücksschwatz mit Moira zu erzählen, sagte ich noch: »Mein Onkel hat mir gestern abend ein Rätsel aufgetragen. Ich frage mich, ob Sie es wohl kennen.«
»Das war bestimmt das mit dem Mann ohne Augen und den Pflaumen, stimmt’s?«
»Ja. Kennen Sie auch die Antwort?«
Moira lächelte tapfer. Und schwieg.
Der Radioprediger sagte gerade: »Gott ist mein Zeuge: Jeder Mensch ist ein Lügner... «
Die Fahrt von Dún Laoghaire bis zum Hauptbahnhof Dublins dauert knapp eine Stunde, was mir genügend Zeit ließ, eine Zeitung zu lesen und Fallnotizen anzulegen. Im Bahnhof hatte ich eine Busfahrkarte, den >Irish Guardian< ein Spiralheft und einen Kugelschreiber bei einem Zeitungshändler gekauft, der so freundlich war, amerikanische Dollars anzunehmen. Wenn die Banken öffneten, würde ich später in Dublin irische Pfund tauschen müssen.
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