Ertränkt alle Hunde
Wasser und den Gläsern. Sie brachte mir zu trinken. Ich trank, während sie mit der Ecke eines angefeuchteten Handtuchs mein Gesicht abwischte. Dann wischte sich Ruby ebenfalls das Gesicht ab, und während ich mich sammelte, sah ich, wie verängstigt sie war.
»Was Schlimmeres hab ich noch nie gesehen«, sagte sie. »Du hast wieder von ihm geträumt, stimmt’s?«
Ich versuchte zu antworten, bekam aber keinen Ton heraus.
»Laß dir Zeit.«
Ich holte Luft. »Aidan war in dem Traum, nein, dem Albtraum. Es war anders als alles zuvor. Es war diesmal nicht einfach nur mein Vater, der mir etwas erzählte, da waren auch noch andere. Davy Mogaill war da. Eigentlich ging es hauptsächlich um ihn - und um den Ort, an dem er war... «
Mein Herz raste wieder, als befände ich mich immer noch in dem Albtraum.
»Wo war er, Hock?« fragte Ruby. »Wo war Mogaill?«
»Hier, irgendwo in Irland. In einer Landschenke... also, eigentlich keine richtige Schenke, sondern ein Ort, an dem Männer tranken. Irgendwo in der Nähe eines Bachs und eines Hauses auf dem Berg, das beinahe aussah wie eine Burg... «
Ich schwieg und trank wieder Wasser. Ich zitterte am ganzen Körper, als wäre ich gerade aus der Kälte draußen hereingekommen.
»Und da hast du dann deinen Vater gesehen?« fragte Ruby.
»Ich habe ihn gesehen, und andere.«
»In deinem Polizistentraum?«
22
Wir beschlossen, uns für den Tag zu trennen. Genaugenommen traf Ruby die Entscheidung.
»Ich möchte Moira mal auf den Zahn fühlen - allein«, sagte sie. »Sie weiß etwas über dieses Haus. Ich spüre das. Du nicht?«
»Ja, vielleicht... «
»Ich will sie überreden, mit mir auf den Markt zu gehen, irgendwas in der Richtung. Nur wir beide irgendwo draußen, damit sie ungehemmt reden kann.«
»Wie kommst du darauf, daß sie dir was erzählt?«
»Das hab ich euch Jungs doch gestern abend schon erklärt -ich werde ihr einfach zuhören, deshalb. Die Lady redet gern, und sie hungert nach Zuhörern. Und dann ist da noch etwas.«
»Was denn?«
»Irgend etwas sagt mir, daß dieses Haus nie ein einsames Haus hätte sein müssen. Aber das ist reine Intuition. Wir werden sehen. Jedenfalls werde ich ihr aufmerksam zuhören. Vielleicht ist es das erste Mal, daß ihr wirklich jemand richtig zuhört. Mal abgesehen von ihrer Bibeltruppe - in der es kein ehrliches Ohr gibt, das man vollquatschen kann, wenn die auch nur annähernd so sind wie die amerikanischen Religionsfreaks -, wen hat die arme Moira denn schon?«
»Liam, Snoody -«-
»Hah! Dein Onkel wird sie nur so lange tolerieren, bis sie nicht mehr kochen oder er nicht mehr essen kann, was auch immer zuerst passiert. Dann ist da dieser arrogante Widerling von einem Ex-Priester, dieser Snoody. Und du, Hock - du bist nur
im Weg.«
»Warum, weil ich ein Mann bin?«
»Wenn du eine Frau wärst, wüßtest du, was für eine blöde Frage das ist.«
»Du meinst, Frauen können besser Fragen stellen?«
Sie zuckte mit den Achseln. »Was immer Frauen tun, sie müssen es doppelt so gut machen wie Männer, um als halb so gut angesehen zu werden. Zum Glück ist das nicht besonders schwer.«
So sprach Ruby.
Ich beschloß, daß ich selbst etwas Zeit und Abstand zu Liams Haus brauchte. »Na schön, vielleicht mach ich mich allein auf den Weg nach Dublin und schnüffel ein bißchen in amtlichen Unterlagen herum, die es über Mairead und Aidan Hockaday gibt.« Ruby stieg wieder ins Bett, vergrub sich unter den Laken, gähnte laut und sagte: »Dann geh jetzt. Um diese Uhrzeit kommst du dem Gedränge zuvor.«
Ich badete, zog mich an und ging nach unten. Alles war ruhig, nur aus der Küche drangen Geräusche.
Um gerade mal ein paar Minuten nach sechs war es noch recht früh für das Haus, aber Moira, das krause, graumelierte Haar von einem Netz flachgedrückt und den Körper vom Hals bis zu den Knien in eine weiße Schürze gehüllt, die groß genug war für ein Segel, war bereits emsig beschäftigt. Süß duftender Dampf quoll aus einem großen Backofen. Auf einer Arbeitsplatte daneben walkte Moira Teighaufen auf zwei verschiedenen Brettern, formte sie mit ihren mehlbestäubten Händen und rollte sie mit einem Nudelholz aus. Ich dachte kurz an meinen Albtraum -Liam und mein Vater in der sheepeen, auf diesen Türen aufgebahrt in Totenhemden so weiß wie Moiras Mehl.
Das Radio lief. Sie hatte es auf einen Sender eingestellt, in dem einer dieser Charismatiker sich gerade mit flammenden Worten über ewige Verdammnis und Reue
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