Ertränkt alle Hunde
-!«
»Geben Sie ihm Ihre Schürze, Moira«, sagte Ruby.
»In Ordnung.« Moira wickelte sich aus und übergab ihre mit Mehl bestäubte Schürze.
Snoody hielt sie auf Armeslänge von sich und sagte: »Ich sage, jetzt aber mal -!«
Aber Moira hob eine Hand und brachte ihn zum Schweigen. Sie richtete ihre Worte an Snoody, aber wirklich gemeint waren sie für Ruby. »Ein Mann ohne Augen sah Pflaumen auf einem Baum. Weder nahm er Pflaumen, noch ließ er Pflaumen zurück. Wie ist das möglich?«
Snoodys freie Hand fiel von seinem Revers. Er wollte Moira schon etwas erwidern, überlegte es sich dann aber anders. Moira funkelte ihn herausfordernd an.
»Das ist doch das Rätsel, das Liam Neil aufgegeben hat«, sagte Ruby.
»Wann war das...?« fragte Snoody sofort.
Bevor Ruby antworten konnte, nahm Moira ihre Hand und zog sie durch die Küche zur Diele. »Kommen Sie jetzt, schnell«, sagte sie, »bevor er noch mit seinem Geknurre anfängt.« Sie ließen Snoody stehen, wo er war, auf der Suche nach den Utensilien, um eine Kanne Tee zu machen.
Von der Garderobe in der Eingangshalle nahm Moira einen Mantel, streifte ihn über und zog ein Kopftuch über. Sie bot Ruby einen ihrer Pullover an. Einer doppelten Ruby hätte der Pullover perfekt gesessen. Das Telefon klingelte. Moira ließ es klingeln, rauschte mit Ruby daran vorbei zur Tür und hinaus auf die Ladbroke Street.
Als sie die Straßenecke umrundet hatten und bergab zum Dorfzentrum gingen, fragte Moira: »Hat Ihr prächtiger Detective das Rätsel schon gelöst?«
»Noch nicht«, sagte Ruby.
»Soll ich gemein sein und Ihnen die Antwort verraten?«
»Seien Sie gemein.«
24
Es war ein perfekter Tag geworden, um einfach nur dort zu sitzen, wo ich nun saß. Die Aprilsonne sickerte durch das junge Laub alter Bäume und sprenkelte die Rasenflächen des von Mauern umgebenen Campus, eine Ansammlung alter Säle, die untereinander durch gemauerte Torbögen verbunden sind. Ich hockte auf der untersten Stufe der Treppe zur Trinity College Library und dachte einen Augenblick darüber nach, wessen Füße hier bereits gegangen waren, wo ich jetzt saß. George Bernard Shaw, William Butler Yeats, James Joyce. Und natürlich
Brendan Behan. Sollte Davy Mogaill jemals wieder auftauchen, würde ich ihm von meinem sublimen Bummeln erzählen.
Professoren mit Kappen und Rollkragenpullovern unter Tweedjacken gingen vorüber. Sie trugen abgewetzte schweinslederne Aktentaschen und rauchten Pfeifen, die ihre Köpfe in gräulichen Rauch hüllten. Sie warfen mir kurze Blicke zu, bemüht uninteressiert an einem weiteren nachdenklichen irischamerikanischem Touristen, der banale Impressionen in sein Notizbuch schrieb. Auch Studenten kamen vorbei. Zu zweit oder zu dritt, manchmal auch in ausgelassenen größeren Gruppen. Ich war neidisch auf sie alle, neidisch auf ihre Jugend und das Glück, für Jahre an einem solchen Ort studieren zu dürfen. Ich tröstete mich mit der Beobachtung, daß auch diese Studenten, genau wie alle anderen, die ich auf den besseren Schulen zu Hause in den Staaten auch schon beneidet hatte, ebenfalls nach schmutziger Wäsche rochen.
Eine Windböe erfaßte die Seiten meines Notizbuchs. Ich strich sie glatt und las noch einmal die Informationen, die ich aus dem Trinity-Studentenjahrbuch in der Bibliothek erhalten hatte:
Aidan Hockaday... Village of Tullow, County Carlow...
summa cum laude ’35... Gälische Literatur, moderne irische
Literatur... Mitglied der Dublin Men’s Society of Letters ...
Nicht gerade viel für zwei Stunden Arbeit. Aber was für zwei Stunden.
Man sollte meinen, der Bibliothekar des Trinity College wäre noch nie zuvor einem netten, angesehenen amerikanischen Cop und unschuldigem Zuschauer eines Blutbades auf der O’Connell Street begegnet, der von einem Sicherheitsbeamten in sein Büro geschleppt wurde, wo er dann in Baumwollhose, Turnschuhen und Yankees-Kappe vor ihm stand. Ich fühlte mich mehr als nur ein wenig klein. Und das, wo ich doch der Sohn eines hervorragenden Studenten und jungen Literaten war, auch wenn das schon einige Jahrzehnte her war - und wo ich doch selbst eine kleine Berühmtheit war, mit meinem Foto zwischen den Nachrichten über einen blutigen Mord im >Irish Guardian< von heute morgen als Beweis.
»Mein Gott, Clooney, womöglich ist er bewaffnet!« stieß der Bibliothekar hervor. Der Mann besaß eine gewaltige, dröhnende Stimme, die den Sicherheitsbeamten sichtlich erschütterte. Der Bibliothekar hieß O’Dowd,
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