Erwachen
Nase. „Was findet ihr nur alle an dieser doofen Kuh?“ Ruckartig wandte sie sich ab und rannte ins Haus.
Gwydion lachte laut und trat gefolgt von Emrys zu uns. „War das ihr Ernst?“
Nathaniel nickte und sah mich an. „Ich möchte heute Abend etwas mit dir besprechen, Carys. Bitte komm nach dem Essen zu mir, ja?“
Sowohl Gwydion, als auch Emrys blickten nun finster, doch das versuchte ich auszublenden. Ich lächelte und nickte. „Aber sicher, Nate“, entgegnete ich mit der sanftesten Stimme, die ich heucheln konnte, während mein Innerstes dagegen aufbegehrte.
Nathaniel beugte sich zu mir und gab mir einen flüchtigen Kuss auf die Stirn, dann nickte er den zwei Männern zu und verschwand ebenfalls.
„Elender Bastard!“ zischte Emrys voller Abscheu.
Bei dem Klang seiner Stimme an meinem Ohr und nicht in meinem Kopf bekam ich eine wohlige Gänsehaut und sah ihn mit großen Augen an. „Emrys?“ flüsterte ich.
Gwydion lachte. „Überraschung! – Daran üben wir nun schon seit drei Tagen, aber die Wortwahl ist gelungen!“ Mein Bruder sah mich wieder ernst an. „Ihr zwei könnt euch meinetwegen weiterhin stumm unterhalten, aber ich will doch lieber das gesprochene Wort.“
„Im Geist ist es auch ein gesprochenes Wort“, entgegneten Emrys und ich gleichzeitig, sahen uns erstaunt an und lachten auf.
Gwydion seufzte. „Quälgeister! – Aber mal ehrlich: wir müssen üben! Ich meine, ihr zwei müsst üben euch anzufassen, ohne gleich wie zwei Glühwürmchen zu leuchten. Erst wenn wir das geschafft haben, können wir das nächste Problem in Angriff nehmen.“
„Nate“, bemerkte Emrys finster.
Gwydion zog eine Augenbraue hoch. „Ich meinte eigentlich Isobel, Emrys. Die musst du loswerden!“
„Ich will nicht, dass er dich heiratet, Carys!“ Emrys stand so weit von mir entfernt und doch hatte ich das Gefühl, er stünde direkt vor mir. Seine Augen leuchteten in einem unnatürlichen Grau. Du bist viel zu schade für ihn!
„Und dennoch wird sie Mrs. Nathaniel Hartscombe werden – für Rosewood Hall“, bemerkte Gwydion und nagelte mich regelrecht mit seinem Blick fest.
Ich stockte in meiner Bewegung und nickte schließlich widerwillig. „Für Rosewood Hall.“
Während des Essens hatte ich alle Versuche von Emrys, im Geiste mit mir zu kommunizieren, abgeblockt. Er wiederum hatte Isobel ignoriert und all ihre Flirtversuche durch seinen verdrießlichen Blick, mit dem er sie ständig bedachte, im Keim erstickt.
Gwydion wich nicht von meiner Seite, bis er mich zu Nathaniels Zimmer begleitet hatte.
„Auf wessen Seite stehst du eigentlich, Gwyn?“ fragte ich schließlich entnervt.
Er nahm meine Hände und flüsterte:
„Ich liebe dich, Carys, ich bin immer auf deiner Seite und werde bis zu meinem letzten Atemzug dafür sorgen, dass dir kein Leid geschieht.“
„Willst du Nate für mich?“ fragte ich überrascht.
Er zuckte die Achseln. „Wenn es dein Leben verlängert – ja. Du hast mit Emrys keine Zukunft, Schatz! Er liebt dich nicht, wie du ihn liebst, vergiss das nicht!“
Seine letzten Worte stachen wie giftige Stachel in mein Herz, denn ich spürte, dass er Recht haben mochte. Emrys war nicht nur durch seine Wandlung verändert, er war durch seinen ersten Tod eine ganz andere Thrylia geworden, als ich es mir gewünscht hatte. Ein kleiner, gut verschlossener Teil seines Wesens war immer noch mein Emrys, doch das war bei Weitem nicht genug, um mich gegen Patricia und Rosewood Hall aufzulehnen und es dadurch womöglich zu stürzen.
Ich zog Gwydion in meine Arme und gab ihm einen Kuss auf den Kiefer. „Danke, Gwyn, ich liebe dich auch!“ Dann machte ich mich von meinem Freund und Bruder los und klopfte zaghaft an Nathaniels Tür.
„Komm herein!“ tönte es und ich warf Gwydion einen letzten, ängstlichen Blick zu.
Ich hatte Angst.
Zum ersten Mal in meinem Leben hatte ich Angst. Dieses Gefühl war überwältigend und lähmte nicht nur meine Glieder, es lähmte auch meinen Geist.
Ich, die selbst die eigene Wandlung verweigert hatte und tatsächlich sogar den Zauber der Elfen, die mir meine Erinnerung an die Liebe zu Emrys genommen glaubten, überwunden hatte, ich stand einsam und verwundbar mitten in einer mir völlig fremdgewordenen Welt vor einem Mann, der mir sehr bald näher stehen würde, als mir lieb war.
Nathaniel trat nah an mich heran und legte sanft seine Hand unter mein Kinn, um meinen Kopf anzuheben, damit ich ihn ansah. Er beugte sich
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