Erwachen
aus.
„Was hast du gesehen?“ fragte Hamish leise.
„Zwei Dinge, die mich entsetzt haben, um ehrlich zu sein. Zum ersten habe ich gesehen, dass Patricia den Anfang des Streits zwischen Gwyn und Emrys nicht mitbekommen hat, aber sie hat das Ende gesehen, wie sie getrennte Wege gegangen sind. Und in Patricias Gesicht lag etwas Kaltes, etwas wie der Tod. Als habe sie in diesem Augenblick der Verdacht überkommen, wer Emrys wirklich ist.“
Ich schluchzte erschrocken auf. „Dann sind unsere Tage gezählt!“
„Deine Tage sind bereits gezählt, seitdem du zum zweiten Mal ein Nervenfieber erlitten hattest, Kleine“, stellte Hamish fest.
Gabriel nickte. „Patricia hatte dir durch das Ritual am Tag deiner Wandlung so viel Macht verliehen, weil sie in dir die gewandelte Marionette, ein Abbild ihrer selbst sah. Du warst endlich so, wie sie dich die ganze Zeit haben wollte. Doch dann kam das Fieber, und du warst schließlich und endlich wieder ganz du selbst. Von da an überlegte Patricia, wie sie dich wieder in ihren Griff bekommen konnte.“
„Aber sie liebt mich doch…“, wisperte ich.
Gabriel nahm meine Hand und schüttelte kaum merklich den Kopf. „Sie hat ihren eigenen Sohn für Macht getötet, Carys! Und wenn sie nicht in der Lage ist, sich deine Kräfte für ihre Zwecke zu Nutze zu machen, dann tötet sie dich in einem Wimpernschlag. Sie hat Isobel und Nate auf ihrer Seite. Sie denkt, das sind ihre Waffen gegen dich.“
Ich zog die Augenbrauen zusammen und versuchte zu begreifen, was Gabriel gesagt hatte. Patricia Caughleigh, die Frau, die ich wie eine Mutter liebte und verehrte, war nichts weiter, als ein von mir aufgebautes Trugbild in meiner Einsamkeit. Patricia Caughleigh, die mir das Gefühl gegeben hatte, sie liebte mich an Kindes statt, hatte mir jahrelang etwas vorgespielt, weil es Rosewood Hall diente. Sie hatte mich verraten, wie sie zuvor ihren Sohn verraten hatte. Sie hatte mich benutzt, für ihre Zwecke missbraucht. Und ich glaubte meinen Freunden, wenn sie sagten, Patricia Caughleigh würde mich töten, wenn ich für sie und ihr geliebtes Rosewood Hall nicht von Nutzen war. Dieses verdammte Rosewood Hall! Nein, nicht der Zirkel, sondern die Königin hatte dieses Schloss als Gefängnis für alle darin lebenden Kreaturen auserkoren! Ich selbst hätte vor nicht allzu langer Zeit alles für Rosewood Hall getan, für das Rosewood Hall, das Patricia vertrat. Doch nun und vielleicht schon seit einiger Zeit zuvor würde ich alles für Rosewood Hall tun, was in meiner Macht stand – für ein Rosewood Hall ohne Grenzen, ohne Mauern, ohne Zwietracht, ohne Einschränkungen. Es würde Gwydions Rosewood Hall sein, und er würde es mit Güte, Liebe und Licht regieren.
Doch wie passten Isobel und Nathaniel in den Plan der listigen Königin?
Gabriel sprach weiter:
„Isobel hatte Constance und Katheryne, um gegen dich vorzugehen, deine unglaubliche Beliebtheit im Zirkel ins Wanken zu bringen und deine Macht anzuzweifeln. Nun, wir wissen, dass Katheryne sich sehr schnell auf unsere Seite gestellt hat. Aber Constance ist Isobel eine beständige Freundin, die zu ihr hält, auch wenn sie bald merken wird, dass Isobel keinen Penny auf sie gibt.“
„Wie könnte Isobel gegen mich Patricia von Nutzen sein?“
Gabriel zuckte die Achseln. „Ich denke, Patricia hatte Isobel viel mehr zugetraut. Aber sie hat auch noch Nate, der dir ordentlich zusetzen soll.“
Ich zog meine Hand fort und fixierte einen Punkt auf der gegenüberliegenden Wand. „Das ist infam…“, flüsterte ich. „Wie sehr muss er sich verstellen, um mich glauben zu machen, ihm liege überhaupt nichts am Blutritual… Wie abgebrüht müssen beide sein, um mir eine Theaterszene in der Halle vorzuspielen – wohlwissend, dass ich sie von der Galerie aus beobachtete…“ Tränen traten mir in die Augen. „Dieser elende Bastard und diese widerliche Schlange!“
„Es kommt noch schlimmer, Carys“, murmelte Gabriel und griff erneut meine Hand, so dass ich ihn ansehen musste. „Carys, hör mir genau zu: traue diesen drei Personen alles zu! Du hast fast den ganzen Zirkel auf deiner Seite, aber es sind die Königin, der Vizekönig und seine Konkubine, die wir besiegen müssen!“
„Seine was?“ fragte Hamish aufgebracht.
„Du hast richtig gehört, Buford! Isobel ist Nathaniel Hartcombes Geliebte!“
Ich schnaubte auf. „Wie soll das gehen? Isobel ist eine Lichtgestalt! Er hätte sie getötet, wenn sie…
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