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Erwachen

Erwachen

Titel: Erwachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manu Ungefrohrn
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Hartscombe nagelte mich mit seinem Blick fest. „Du wirst Großes vollbringen, Carys Olwyn Parker, aber wird Rosewood Hall dir genug sein?“
    Ich runzelte die Stirn und holte Atem. „Verzeihen Sie, Mr. Hartscombe“, sagte ich mit fester Stimme und war selbst überrascht, dass ich das Wort ergriff, ohne vorher darum gebeten worden zu sein. „Vielleicht mögen Sie uns alle – von der Oberfläche betrachtet – richtig einschätzen, Mr. Hartscombe. Aber es ist mehr an uns allen, mehr in uns allen, als Sie jetzt zu sehen vermögen. Wir sind Freunde, die an einem fremden Ort zusammengefunden haben. Jeder von uns verdient Respekt, jeder von uns ist Rosewood Hall würdig. Welche Entscheidungen ein jeder von uns treffen wird… nun ja, das vermag jetzt noch keiner zu sagen, nicht wahr? Nicht einmal Sie, Mr. Hartscombe.“ Ich schwieg und starrte den Hellprint lauernd an, doch er schwieg, während er mich ebenso anstarrte.
    Ceridwen begann zu klatschen, und meine anderen Freunde taten es ihr nach. Selbst Hamish und Andrew fielen mit ein, nur Isobel und Kirk verzogen ihre Gesichter.
      „Carys Olwyn Parker“, sprach Mrs. Caughleigh hinter uns im Türrahmen stehend. „Bitte begleite mich in mein Büro!“
    Isobel grinste mich hämisch an und gluckste vergnügt auf. Es bereitete ihr immer wieder Freude, sich auf meine Kosten zu amüsieren.
    Ich streckte meinen Rücken gerade und sah Mrs. Caughleigh offen an, während ich durch den Unterrichtsraum auf sie zuschritt. Sie würde mich maßregeln, weil ich einem ehrwürdigen Geschöpf vor den Kopf gestoßen hatte, seine Autorität ein wenig anzweifelte. Mr. Hartscombe war ihr Stellvertreter, der Vizekönig. Sicher hatte ich den Ärger, den ich zu erwarten hatte, auch verdient.
      „Setz dich, Carys Olwyn“, sagte die Königin von Rosewood Hall und deutete auf den Stuhl, der vor ihrem Schreibtisch stand, während sie sich dahinter setzte.
    Sie betrachtete mich eingehend und holte dann Luft. „Was hat dich so aufgebracht?“
    Ihre Frage verwirrte mich.
    Mrs. Caughleigh lächelte warm. „Mr. Hartscombe hat lediglich die Wahrheit gesagt.“
    Ich zog die Augenbrauen zusammen. „Warum hat er das über mich gesagt? Ceridwen ist viel klüger und schöner als ich“, entgegnete ich leise, aber mit fester Stimme.
      „Ist das so, Carys?“ In all den Jahren hatte sie mich stets bei meinen beiden Vornamen angesprochen, dies nun klang seltsam vertraulich. Ihr Blick war eindringlich. „Meine liebe Carys“, sie beugte sich vor. „Du bist einzigartig und bei weitem unübertroffen, glaub es mir! Du bist etwas ganz Besonderes, denn du praktizierst weiße Magie, ohne jemals einen Zauber zu sprechen.“
    Ich sah auf meine Hände hinab.
      „Sieh mich an, Carys, und sage mir, dass ich falsch liege!“
    Ich hob meinen Kopf und blickte sie an. „Ich möchte auf Rosewood Hall bleiben, Mrs. Caughleigh.“
    Ihr Gesicht begann zu strahlen. „Ja, ich weiß, Liebes.“
      „Rosewood Hall ist mir genug“, insistierte ich.
    Die linke Augenbraue in Mrs. Caughleighs Gesicht glitt nach oben. „Ist das so? Ich glaube, du machst Rosewood Hall zu einem perfekten und glanzvollen Ort, Carys Olwyn Parker. Aber Rosewood Hall wird dir nicht genügen – niemals ohne Emrys.“
    Mein Herz setzte einen Schlag aus, denn ich erkannte die Wahrheit in den Worten seiner Mutter.
    Sie lächelte mich immer noch an, doch ihr Gesicht veränderte sich. In ihrem Blick lag Liebe.   „Wenn ich es nicht sage, dann wirst du niemals erfahren, was du vollbracht hast!“ Sie erhob sich von ihrem Stuhl und trat um den Schreibtisch zu mir herum und legte ihre Hand auf mein Haar. „Du hast meinem Sohn seine Stimme wiedergegeben.“ Sie kniete sich vor mich.   „Er war von Geburt an stumm, es hat ihn nie bekümmert, weil alle anderen um ihn herum laut genug waren. Dann traf er dich. Du selbst hast kaum gesprochen und konntest nicht von Emrys‘ Stille ablenken. Und er verabscheute sich, verachtete dich für all die Worte, die zwischen euch niemals gesagt werden würden.“
      „Bis ich ihn fragte, warum er niemals mit mir spricht“, murmelte ich dumpf. „Ich habe ihn angefleht, mich nicht zu verachten und mit mir zu sprechen.“
    Seine Mutter nickte. „Von da an sprach er.“
      „Er hat mich beschützt“, flüsterte ich.
    Sie nickte erneut und nahm meine Hand. „Ja, ihr habt euch gegenseitig alles gegeben, was ihr brauchtet, Carys.“
      „Liebt er Isobel?“ Die Frage hatte meinen Mund verlassen, noch

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