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Erwachen

Erwachen

Titel: Erwachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Kenner
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sich unserer Welt anzupassen.
    Deacon, würde ich sagen, hatte das verdammt gut hingekriegt.
    »Lass es mich dir erklären«, bat er, als ich mich wieder auf ihn warf und ihm die Spitze meines Messers gegen das Herz presste.
    »Sag mir einfach die Wahrheit. Habe ich recht? Bist du ein Tri-Jal?«
    »Ja.«
    Ich packte das Messer noch fester und sagte mir, ich müsste es ihm ins Herz jagen. Aber ich brachte es einfach nicht über mich. Ich zögerte, weil ich zu viele unbeantwortete Fragen im Kopf hatte.
    Er spürte mein Zögern und nutzte es sofort aus. Er warf mich zu Boden, zog sein Messer und drückte es mir gegen den Hals.
    »Ich habe dir die reine Wahrheit gesagt, Lily. Ich habe dich nicht betrogen.«
    Im nächsten Moment flog ich durch die Luft, zur Seite geschleudert, wie er es an dem Tag, als ich ihn zum ersten Mal gesehen hatte, mit Leon gemacht hatte.
    Ich landete hart auf meinem Hintern und rappelte mich mühsam hoch, um ihm hinterherzurennen.
    Was ich dann aber doch nicht tat, weil mein Arm höllisch wehtat. Ich krümmte mich zusammen, hielt ihn mit der anderen Hand und konnte nur hilflos mit ansehen, wie Deacon in meinem Schmerznebel verschwand.

36
     
    Das Portal ließ mich ein paar Meilen außerhalb der Bostoner Innenstadt bei einer kleinen Kirche raus. Sie war alt, heruntergekommen und verlassen. Vor die fleckigen Scheiben waren Spanplatten genagelt, die Tür mit Baugerüsten verbarrikadiert. Ich holte tief Luft, blickte nach oben und sah gerade noch, wie sich das Portal über mir schloss. Damit war der Weg zurück zu Clarence und Zane jetzt blockiert.
    Wenigstens hatte ich diesmal Spielzeuge mitbringen dürfen. Eine Armbrust. Ein Schwert. Und eine ganze Ladung Messer. Man hätte mich eine glückliche Kriegerin nennen können.
    Ich blieb stehen und sah mich um. Rund um das Gebäude war gelbes Band gespannt, und ich fragte mich, ob der Ort unbewohnt war oder die Dämonen nur unwillkommene Besucher abschrecken wollten.
    Ich gehörte mit Sicherheit zu Letzteren, aber die Abschreckungsmethode funktionierte bei mir nicht. So schnell ließ ich mich nicht entmutigen. Meine Füße gierten danach, ein paar Dämonen in den Hintern zu treten.
    So unauffällig wie möglich näherte ich mich der Kirche. An der Eingangstür stieß ich auf den ersten Wachposten, einen gelangweilt wirkenden Fettwanst ganz in Schwarz. Ich hob die Armbrust, zielte, schoss und beförderte ihn ins Jenseits, bevor er wusste, wie ihm geschah.
    Dass es so leicht ging, gab mir Auftrieb. Allmählich glaubte ich, dass ich es vielleicht doch schaffen könnte.
    Ich überlegte, ob ich durch diese Tür in die Kirche eindringen sollte, beschloss dann aber, sie zunächst einmal zu umrunden und eventuelle weitere Wachen aus dem Weg zu räumen. Ich stieß auf vier weitere, die ich genauso lässig erledigte. So viel zum Thema Sicherheit. Ich musste annehmen, dass sie glaubten, der Angriff auf mich sei erfolgreich gewesen. Dass das Gift mich getötet und der Himmel keinen Krieger mehr hatte, der dafür kämpfen würde, dass die Pforte geschlossen blieb.
    Während ich am Gebäude entlangschlich, bekam ich ein immer besseres Gefühl für diese Mission. An einem der Fenster hatte sich die Sperrholzplatte gelöst, und ich stellte mich auf die Zehenspitzen, um hindurchzuspähen. In der Mitte eines goldenen Kreises, der mit Kreide auf den Boden gezeichnet war, stand ein Dämon in der Gestalt eines alten, wettergegerbten Mannes. Er war wie ein Priester gekleidet, und ich empfand es wie einen Schlag ins Gesicht, wie er Himmel und Tradition verspottete.
    Um ihn herum knieten fünf Dämonen, die alle schwarze Talare mit tief ins Gesicht gezogenen Kapuzen trugen.
    Ich fuhr mir mit den Fingern durch die Haare und überlegte, welche Möglichkeiten ich hatte. Sechs gegen eine - nicht gerade berauschend, selbst wenn ich ein paar verdammt geile Waffen mit mir rumschleppte und vor Selbstbewusstsein nur so strotzte.
    Mist.
    Ich holte tief Luft und rief mir in Erinnerung, wieso ausgerechnet ich vor diesem Fenster stand. Weil ich laut der himmlischen Mächte, die über uns wachen, die auserwählte Superkämpferin war, die diese Schweine erledigen konnte. Deren Blut die Schatulle zerstören konnte, die sonst die Pforte zur Hölle öffnen würde. Also verfügte ich ganz offensichtlich über irgend so ein heiliges Dingsbums, das mein Selbstvertrauen eigentlich in ungeahnte Höhen hätte schnellen lassen müssen. Stattdessen stand ich da und fürchtete, wie ein winziger Käfer

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