Erwachen
Dämon sein …«
»Sie kann«, versicherte mir Zane. »Und sie ist einer.«
»Aber … aber … Wo? Wie? Habt ihr etwa einen Vorrat an Dämonen, die …«
Ich schnitt mir selbst das Wort ab, denn an ihren Gesichtern konnte ich ablesen, dass genau das der Fall war. Eine kleine Dämonensammlung, irgendwo versteckt und nur zu Trainingszwecken ans Tageslicht gezerrt.
Ich musste schlucken. Ich war nicht sicher, ob ich angeekelt oder beeindruckt davon war, wie ernst sie es mit dem Training meinten.
Zane bemerkte meine gedanklichen Abschweifungen offenbar nicht. Er hielt ein kleines schwarzes Gerät mit allerhand Knöpfen in der Hand. Nun drückte er einen, und die vordere Platte des Käfigs senkte sich in den Boden. Der misstrauische Teenager, der aussah wie ein Ultra-Grufti, ganz in Schwarz mir spitzem Silberschmuck, war also nur noch an drei Seiten gesichert.
Neben mir holte Clarence einen Notizblock und einen Stift aus der Innentasche seines Jacketts. »Ich werte deine Vorstellung selbstverständlich aus«, sagte er. »Lass dich nicht nervös machen.«
»Nervös«, quiekte ich und deutete auf das Mädchen, das immer noch bewegungslos auf dem Boden kauerte und zu mir hochsah. »Das ist ja krank.«
»Wenn das deine Einstellung ist, niafleur, dann hast du schon versagt.« Er zog das Messer mit der zehn Zentimeter langen Klinge aus der Scheide und gab es mir. Kalt und tödlich lag es in meiner Hand. Der blaue Stein auf dem Griff funkelte in dem grellen Licht.
Ich wollte schon einen Streit anfangen, es zurückgeben. Aber Zanes Pranken schlössen sich um meine Oberarme, und er hob mich so mühelos auf die Plattform, wie ein Kind eine Stoffpuppe hochhebt. Einen Moment stand ich so da. Unentschlossen. Man würde doch nicht ernsthaft von mir erwarten, gegen dieses Kind anzutreten, es umzubringen!
»Maintenant!«, sagte Zane, und obwohl ich kein Wort Französisch sprach, war mir klar, was er wollte: Komm in die Gänge! Jetzt!
Aber ich kam nicht in die Gänge. Ein Fehler, den ich bald bedauern sollte, da meine Gegnerin keinerlei Hemmungen kannte. Sie sprang auf und kam, knurrend wie ein wildes Tier,’ auf mich zu. Ihre Finger schössen vor wie Klauen, und bevor ich noch reagieren konnte, fuhr sie mir schon ins Gesicht, riss mir mit den Fingernägeln die Haut auf und verfehlte nur knapp meine Augen.
»Verdammte Scheiße!«, schrie ich, schlug ihre Hände weg und wandte instinktiv mein Gesicht ab. Mein Instinkt war allerdings nicht der beste Ratgeber; jetzt sah ich sie nicht mehr. Und sie nutzte das aus. Sie sprang hoch und mir auf den Rücken.
»Ungeschult«, hörte ich Zan e wie aus tausend Meilen Entfer nt sagen. »Für mich steht viel auf dem Spiel. Ich hoffe, du bist dir sicher …«
Clarence’ Antwort war gedämpft, aber Zanes beipflichtendes Grunzen vernahm ich recht deutlich. Am liebsten hätte ich sie angebrüllt, sie sollten mich von diesem kleinen Miststück befreien.
Stattdessen kämpfte ich.
Und sobald ich mich dazu durchgerungen hatte - sobald mir der bloße Gedanke durch den Kopf gegangen war -, explodierte ein Kraftstoß in meinem Körper, stärker noch als der Drang, den ich in der Gasse verspürt hatte. Die Stärke, die sie mir eingepflanzt hatten, brach wellenförmig aus mir hervor; ich spürte instinktiv, dass ich noch nicht vollkommen vorbereitet war. Aber der Weg dorthin würde angenehm werden.
Ich stemmte eine Hüfte hoch, drückte die Hände gegen die Matte, um genug Halt zu bekommen, trat zu und traf sie mit dem Absatz so heftig am Kopf, dass mir vom Knall leicht übel wurde. Ich drehte mich vollends um, kam auf die Beine und hielt das Messer bereit. Sie hatte sich inzwischen wieder erholt und raste zähnefletschend wie ein wildes Tier auf mich zu.
Allerdings gab nun auch ich dem wilden Tier in mir nach. Keine Ahnung, ob aus Frust, Wut oder Stress, ich legte jedenfalls gewaltig los. Ich wollte Blut sehen. Ihr Blut. Dieses unverschämte kleine Miststück, das mich erledigen wollte. Nie im Leben!
Das Mädchen machte einen Ausfallschritt, und ich warf mich auf sie, wobei ich allerdings ganz vergaß, dass ich jetzt zwar die Kraft hatte, nicht aber die Fähigkeit, sie gezielt einzusetzen. Sie schlug mir mit der Rückseite ihres Unterarms gegen das Handgelenk und holte dann zu einem weiteren harten Schlag aus. Das Messer flog mir aus der Hand, landete nutzlos auf der Matte.
Eine halbe Sekunde Trauer über den Verlust genehmigte ich mir, dann wurde mir klar, dass es nicht weiter wichtig war.
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