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Erwachen

Erwachen

Titel: Erwachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Kenner
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schlaff wurde. Ich trieb die Klinge durch die straffe karamellfarbene Haut. Blut strömte heraus, warm und klebrig. Ich öffnete den Mund, ein hauchdünnes Oh füllte den ansonsten lautlosen Raum.
    »Mon petit cceur«, flüsterte er. Aus seinem Mund drangen Blutblasen. »Je suis mort.«
     

14
     
    Wie erstarrt fiel ich auf die Knie und zog das Messer heraus, als wollte ich das Geschehene rückgängig machen, auch wenn in diesem Moment der letzte Lebensfunke in Zanes Augen erlosch.
    »Nein!«, wisperte ich und ließ das Messer auf den Boden fallen. Mein Magen zog sich zusammen, als mich etwas Seltsames erfüllte, etwas aus einer anderen Welt … Eine Woge der Macht, gefolgt von einer Explosion süßen, beinahe sexuellen Vergnügens, das jedes Stöhnen im Keim erstickte.
    Was zum Henker…?
    Fast gewaltsam schlug ich die Augen auf, während Verlegenheit, Lust und Begierde wie Querschläger durch mich hindurchpeitschten - ganz zu schweigen von dem erbärmlichen Grauen davor, Clarence könnte mir ein Messer in den Nacken jagen und vollenden, was Zane begonnen hatte.
    Ich zuckte zusammen. Nur mein Verstand hielt mich davon ab, mich schleunigst aus dem Staub zu machen.
    Aber Clarence machte keinerlei Bewegung in meine Richtung. Er sah nicht einmal zu mir her.
    Vielmehr beobachtete er Zanes Leiche. Und als ich mich umwandte, wurde mir auch klar, warum: Unter dem Schnitt in Zanes Hemd schloss sich seine Haut schon wieder, als würde ich einer rückwärts ablaufenden Autopsie zuschauen.
    Eher fasziniert als eingeschüchtert ließ ich meinen Blick von seiner Brust über das in Mitleidenschaft gezogene Handgelenk zu den ausdruckslosen, toten Augen wandern. Ausdruckslos aber nur so lange, bis ich ein Glitzern erhaschte. Es schien hinter der Iris zu sitzen. Ein Etwas, das zu tief war, um nur der Widerschein zu sein, sondern vielmehr der Pulsschlag reiner, innerer Energie war.
    Ich beobachtete - verblüfft, entgeistert. Die ganze Bandbreite der Gefühle von Schock bis ehrfürchtigem Staunen machte ich durch, während Zane blinzelte, sich streckte und sich aufsetzte.
    Nur um ganz sicherzugehen, schaute ich noch einmal auf seine Brust. Der Mann war geheilt.
    Mehr noch: Er war von den Toten zurückgekehrt.
    »Bist du doch auch«, sagte Clarence. Ich schrak zusammen. Ich hatte ganz vergessen, dass er auch noch da war und mich dabei beobachtete, wie ich Zane anstarrte.
    »Aber ich … aber …« Mal ehrlich, was hätte ich auch sagen sollen?
    Zane rieb sich die Stelle an der Brust und lächelte mich dann so unzweideutig an, dass meine Wangen erröteten.
    Unwillkürlich trat ich einen Schritt zurück. Er würde, so viel war mir klar, beenden, was er begonnen hatte. Und diesmal würde der Lehrling nicht mehr siegen.
    Seinem Gesichtsausdruck fehlte allerdings jegliche Mordabsicht. Im Gegenteil. Was ich da sah, war … Stolz,
    »Bravo, Lily!«, sagte er, nahm das Messer vom Boden und stand auf. Sein Hemd war zerfetzt, aber das Fleisch darunter rein und makellos. »Jetzt hast du es verstanden.«
    Ich stand einfach nur da. Meine pochende Hand schrie nach Aufmerksamkeit, aber im Moment interessierte mich der Schmerz nicht. Ich schob ihn beiseite, verdrängte ihn und konzentrierte mich auf das Wunder, dass dieser Mann nun wieder vor mir stand. »Wie hast du …«
    »Wir haben alle unsere Talente, Lily«, sagte Clarence. »Zane trainiert. Sorgt dafür, dass wir über die besten Krieger verfügen können, die alles tun, um am Leben zu bleiben. Und weiterkämpfen.« Er zuckte mit den Schultern. »Es würde uns nicht viel nützen, wenn er jedes Mal endgültig sterben würde, wenn ein Krieger den Test besteht.«
    Ich schluckte, seine Worte hüllten mich ein. Den Test besteht. »Dann habe ich ihn wirklich getötet?«
    »Aber sicher, du hast ihn erledigt. Und das macht dich nun stärker.«
    Ich runzelte die Stirn in der Annahme, er meinte das im übertragenen Sinn. Doch bald wurde mir klar, dass er mehr gemeint hatte. Das Blut schien entschlossener durch meine Adern zu fließen. Meine Muskeln waren gestählt. Meine Sinne geschärft.
    Ich hatte getötet - und deshalb war ich stärker.
    Ich hatte getötet - und hatte es genossen.
    »Du hast es erfasst, Kleine: Jedes Mal, wenn du mit deinem Messer einen tötest, wirst du stärker. Eine bessere Kämpferin. Schwerer zu besiegen.«
    Ich blickte zu Zane, der von den Toten zurückgekehrt war. »Was bist du eigentlich? Ein Engel?« Zumindest war er für die Rolle wie geschaffen. Eine maskuline Schönheit

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