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Erwachen

Erwachen

Titel: Erwachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Kenner
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war noch ein Ausdruck von Verblüffung zu erkennen, bevor sich die Bestie im nächsten Moment in eine formlose klebrige Masse verwandelte. Eine Frau mit einem Messer sollte man nie unterschätzen, Kumpel! Nächstes Mal würde ich versuchen müssen, das Ding zu pfählen. Waren Blutsauger ohne Fangzähne eigentlich Vampire? Keine Ahnung, aber es war gut zu wissen, dass Köpfen völlig ausreichte.
    Ich rannte zu der Frau. Sie war total hinüber, die Kehle aufgerissen, die Haut grau und leblos. Einen Moment lang - einen kurzen, schrecklichen Moment lang - genoss ich ihren Schmerz. Verdammt, ich wollte ihn sogar noch verschlimmern. Wollte sie weiterquälen, nur um zu sehen, wie viel sie aushielt.
    Ich schnappte nach Luft. Der Moment rauschte vorbei, aber nicht schnell genug, als dass ich der Welle von Selbsthass hätte entkommen können, die über mir zusammenschlug.
    Ich w ollte dieses neue Leben doch. Wirklich. Aber welchen Preis würde ich dafür bezahlen müssen?
    Ich schüttelte mich, und meine Entschlossenheit kehrte zurück. Umstellung. Nur darum ging es. Genau wie Clarence gesagt hatte: Stress und Umstellung. Ich war keine herzlose Bestie.
    Um mir das zu beweisen, kniete ich mich neben die Frau und nahm ihre Hand.
    »Sie werden wieder gesund«, log ich, obwohl ihr Leben bereits erlosch. »Ich bin ja da. Ich bleibe bei Ihnen.«
    Ich presste die Hand gegen ihre Kehle und versuchte, die Blutung zu stoppen. Ohne Erfolg. Das Blut pumpte aus ihr heraus, spritzte mir durch die Finger und bedeckte meine Kleidung, meine Haut und mein Gesicht.
    Sie schnappte nach Luft wie ein Fisch auf dem Trockenen, versuchte verzweifelt zu atmen, doch ich konnte ihr nicht helfen. Ich selbst atmete tief und gleichmäßig, meine Sinne aufs Äußerste geschärft. Meine Gedanken schienen sich von meinem Tun zu lösen, und ich spürte nur noch einen nicht zu leugnenden Bärenhunger. Allerdings nicht auf Essen. Auf Blut.
    Erschüttert stand ich auf und ließ den Blick zwischen der Frau und der Stelle am Boden hin-und herwandern, wo sich der Dämon befunden hatte.
    »Was geschieht mit mir?«, flüsterte ich, während ich das widerliche, aber gleichzeitig so drängende Bedürfnis bekämpfte, mein noch blutiges Messer abzulecken.
    Ich schloss die Augen. Mir war schwindelig, und alles in mir sehnte sich danach, dieses Urbedürfnis zu befriedigen.
    Ich kniete mich wieder neben die Frau und hörte mich »Nein« flüstern, als ich über ihren Hals strich. Ihre Körpertemperatur war bereits gesunken, und ihr Blut fühlte sich kühl an. Ich hob die Hand und hielt den Finger an die Lippen. Meine Zunge schoss heraus, um den himmlischen Geschmack ihres Bluts zu kosten.
    Nein!
    Diesmal ertönte das Wort nur in meinem Kopf, aber kraftvoll genug, dass ich aufsprang. Ich wischte mir das Blut an meiner Jeans ab und wünschte mir, ich könnte mir seinen so überaus verführerischen Geschmack auch aus dem Mund wischen.
    Erst dieses sinnliche Flirren zwischen Zane und mir. Dann dieses dunkle, hitzige Brüten. Und jetzt ein fast schon schmerzhafter Blutdurst?
    Das war einfach alles zu viel. Ich brauchte Antworten, aber Clarence konnte ich nicht fragen. Ich konnte doch als Soldatin des Himmels nicht beichten, dass ich auf einmal irgendwie auf Blut abfuhr. Jedenfalls nicht in Anbetracht des Messers, das er skrupellos einsetzen würde, wenn ich versagte.
    Ich presste die Hände gegen den Kopf, um das Dröhnen einzudämmen, dieses tiefe, rhythmische Pulsieren, das seinen Ursprung nicht nur in meiner Verwirrung hatte, sondern auch in der Anstrengung, mich von dem Blut fernzuhalten. Es zog mich an wie Heroin einen Junkie.
    Lauf! Das war das Einzige, was ich tun konnte. Weglaufen und wieder zu Verstand kommen.
    Ich warf einen letzten Blick auf die Frau. Zwar fühlte ich mich schuldig, dass ich sie einfach so liegen ließ, aber ich wusste, wenn ich bliebe, würde ich uns mit Sicherheit beide erniedrigen.
    Lauf!
    Es war die einzige Möglichkeit.
    Lauf verdammt noch mal, lauf!
    Und ich lief.
    Ich rannte, als wäre der Teufel höchstpersönlich hinter mir her. Und wisst ihr was? Ich glaube, das war er auch

17
     
    Ich rannte, aber entkommen konnte ich weder dem Geruch noch den grauenvollen Bedürfnissen oder den Schuldgefühlen, die mein überwältigender, widerwärtiger Hunger in mir auslöste.
    Überall an mir klebte Blut. Es hatte mein T-Shirt durchnässt und besudelte meine Hände, und ich konnte nichts tun außer davonlaufen. Alice’ Wohnung war nur noch ein paar Meter

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