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Erwachen

Erwachen

Titel: Erwachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Kenner
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als wir zu meinem Motorrad gingen. »Mach nicht so ein Gesicht! Auch das wird vorbeigehen.«
    Ich warf ihm einen kurzen Blick zu und fragte mich, ob er wohl in meiner trüben Stimmung herumgestochert hatte. Mit Sicherheit hatte ich sie deutlich genug ausgestrahlt.
    »Rumstochern war gar nicht nötig«, fuhr er fort. »Du bist wie dieser Typ aus den Peanuts, wie heißt er noch gleich? Der immer von einer Staubwolke umgeben ist? Genauso bist du! Nur dass dich der Geruch von Angst umweht.«
    »Danke«, erwiderte ich. »Du bist wirklich eine große Hilfe. Jetzt geht’s mir schon deutlich besser.«
    Er blieb stehen, drehte sich um und musterte mich mit einem Gesichtsausdruck, in dem sich Ernst und Mitleid vermischten. Echt eine Meisterleistung bei seinem amphibienartigen Äußeren. »Das geht vorbei, Kleine. Lass dich davon nicht runterziehen.«
    »Und mit das meinst du diese überdimensionale Wolke über mir, vor der ich mich am liebsten für die nächsten tausend Jahre unter einer Decke verkriechen würde? Oder wahlweise den Nächstbesten totschlagen.«
    »Ja«, antwortete er. »Genau das meine ich.«
    Zwar verkniff ich mir ein Verpiss dich, aber das Geräusch, das ich von mir gab, drückte in etwa dasselbe aus.
    Er kicherte. Offensichtlich schreckten ihn weder meine Taten noch meine Haltung ab. »Das ist die Umstellung, Kleine. Ich meine - was erwartest du? Du hast in ein paar Stunden durchlebt, wozu man normalerweise einen Monat braucht. Hast einen neuen Körper, einen neuen Job und eine verdammt ernste Mission. Also mach dir keine Vorwürfe, wenn erst mal alles schiefgeht.« Er klopfte sich mit dem Finger gegen den Kopf und sah mich wissend an. »Geh nach Hause. Schlaf dich aus.«
    »Ich dachte, ich brauche keinen Schlaf«, gab ich griesgrämig zurück. Ich hatte nicht die geringste Lust nachzugeben.
    »Den brauchst du, um zu heilen. Glaubst du etwa, du könntest so eine Umwandlung unbeschadet überstehen?«
    Ich runzelte die Stirn, denn ich war mir sicher, dass er recht hatte. Mein Körper schmerzte wie verrückt. Allerdings war ich nicht in der Stimmung, das zuzugeben.
    »Es wird eine Weile dauern, Kleine. Also flipp jetzt bloß nicht aus, nur weil du dich ein bisschen wie vor deiner Periode fühlst.«
    »Hey! Was sollen diese Gemeinheiten?« Er war wirklich ein abgefahrener kleiner Himmelsbote, aber er hatte recht. Und ja, ich war dankbar.
    »Dann gib mir doch jetzt mal eine ehrliche Antwort«, sagte ich, als ich mich auf meine Tiger schwang. Ich umschloss die Griffe mit den Händen; meine Handfläche war bereits völlig verheilt. Wie angenehm! »Was steckt eigentlich hinter diesem Vertrag? Ich meine: Worum geht es hier wirklich? Fahren wir jetzt jeden Tag zu Zane, um zu trainieren, bis das Symbol auf meinem Arm tut, was es soll?«
    »Das trifft es ziemlich genau. Zane und du, ihr trainiert regelmäßig. Seite an Seite, erhitzt und schwitzend, bis du alle Tricks aus dem Effeff beherrschst.«
    Ich warf ihm einen Blick von der Seite zu. Meine Wangen waren rot angelaufen. Er kicherte.
    »Wie nett!« Mir wurde klar, dass Clarence alle meine lustgesteuerten Gedanken aufgeschnappt hatte. »Und da hatte ich doch wahrhaftig geglaubt, du könntest nicht noch gemeiner werden.«
    »Ich mein ja nur.«
    Ich seufzte. »Was hat es denn eigentlich mit ihm auf sich?«
    »Ein Teenager würde vermutlich sagen: Er hat höllische Pheromone. Schwer zu widerstehen, wenn du verstehst…«
    »Ja«, entgegnete ich. »Das verstehe ich durchaus.«
    Er kicherte. Meine Verlegenheit amüsierte ihn ganz offensichtlich. »Ich verlasse dich jetzt«, sagte er und trat einen Schritt zurück. »Ich finde allein nach Hause.«
    »Wie bitte? Jetzt warte doch mal! Ist das alles? Bekomme ich denn keinen Auftrag? Ein Dokument, das sich selbst vernichtet? Ein Passwort für eine geheime Webseite?«
    »Ich melde mich.« Er tippte sich an den Hut, machte auf dem Absatz kehrt und zischte über den Asphalt auf das Ende der Gasse zu.
    Ich zog einen Flunsch und ließ das Motorrad an. Die Begeisterung für meine Mission ließ rapide nach. Ich würde gegen ausgesprochen unangenehme Dämonen in einen Kampf ziehen müssen, der das Schicksal der Erde entscheiden konnte. Und jede Wette, dass keiner dieser Dämonen scharf darauf war, sich mir vors Messer zu werfen, sobald ich auf der Matte stand.
    Kein Druck. Überhaupt kein Druck.
    Die düstere Schwermut hing immer noch über mir, als ich das Motorrad in der Nähe von Alice’ Wohnung zwischen zwei geparkte Autos

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