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Erwachen

Erwachen

Titel: Erwachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Kenner
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schließlich könntest du von der Drogenfahndung sein.
    Ich hatte noch mein Trinkgeld und zog einen Zwanziger aus dem Geldbündel, das ich Rose schicken wollte. »Behalt den Rest«, sagte ich und trat auf die Tür zu. Plötzlich spürte ich eine Hand auf meinem Busen. Ich sah auf seine Handfläche hinunter, die auf meiner Brust ruhte, dann hinauf in sein Gesicht. Er ließ mich los und machte eine Geste, die wohl seine Friedfertigkeit und seinen guten Willen ausdrücken sollten.
    »Die Waffe kannst du nicht mit reinnehmen«, sagte er und deutete auf mein Messer.
    »Und ich geb dir auch noch Trinkgeld.« Ich schnallte das Hülster ab, zog das Hosenbein meiner Jeans hoch, schnallte das Hülster an meinem nackten Oberschenkel fest und schob den Stoff wieder darüber. Ganz schön eng, und die Ausbuchtung war nicht zu übersehen. Aber es war nicht so schlimm, dass mein Haute-Couture-Outfit darunter gelitten hätte.
    »So hatte ich mir das eigentlich nicht vorgestellt.«
    »Tja, du hast die Wahl«, entgegnete ich. »Entweder lässt du mich rein, damit ich tanzen und mich austoben kann. Oder ich gehe nach Hause, ertränke meinen Kummer in einem Bier aus dem Kühlschrank und rufe in meiner Verzweiflung die Polizei an und erzähle ihnen, was für zwielichtige Sachen sich hinter dieser Tür abspielen. Ich bin mir nämlich ziemlich sicher, dass sich dort Zwielichtiges abspielt. Ehrlich gesagt, würde ich es auch gar nicht anders wollen.«
    Er trat zur Seite.
    »Guter Junge!«, sagte ich und gab ihm einen leichten Klaps auf die Wange. Dann stürmte ich an ihm vorbei und in das hörsturz-verdächtige Dröhnen im Club hinein. »Club« ist eigentlich nicht ganz der richtige Begriff, denn diese Etablissements wechseln fast jede Nacht ihren Standort. Für mich war es jedenfalls genau das R ichtige: überfüllt, dunkel, ausgelassen und viel zu laut, um denken zu können.
    Ich hatte Denken so was von satt.
    Sobald ich durch die Tür getreten war, ließ die Musik meinen gesamten Brustkorb beben. Wobei »Musik« auch eigentlich nicht ganz das richtige Wort war; es war so laut, dass man nur noch das Wummern der Bässe hörte. Offenbar sollte man den Song über die Vibrationen in der Luft genießen, als wären wir alle Fledermäuse oder so was.
    Ich dachte über den Vergleich nach und kam zu dem Schluss, dass er gar nicht so daneben war. Ich war wie von selbst zu einem nachtaktiven Wesen geworden.
    »Lily«, flüsterte ich. »Du bist ganz schön im Arsch.«
    Ein Mann, dessen Glatze mit Tattoos übersät war, warf mir einen neugierigen Blick zu. Ich beachtete ihn nicht weiter und ging stattdessen zu der aus Sperrholz und Bierkästen improvisierten Bar. Ich bestellte einen doppelten Tequila und ließ die Ansprache des Barkeepers über mich ergehen, sie würden keinen
    Alkohol ausschenken. »Ich bin kein Bulle«, klärte ich ihn auf und kippte den Drink hinunter, den er mir daraufhin reichte. Und da ich fand, gutes Karma müsse man ausnutzen, bestellte ich gleich noch einen und kämpfte mich mit dem Glas in der Hand zur Damentoilette durch, einem Himmel voller Make-up, Haarspray und dem übelsten Tratsch, den man sich nur vorstellen kann.
    Neben einem Mädchen mit einem lila Irokesen und einer gepiercten Lippe standen zwei top gestylte Prinzesschen wie aus dem Bilderbuch. Alle drei drehten sich um und sahen mich an. Ich wiederum sah nur das Waschbecken und bewegte mich schnell darauf zu. Ich stellte das Glas auf den Beckenrand und schrubbte mir das restliche Blut von Händen, Armen und meinem Mantel. Dann griff ich an Miss Ete vorbei nach einem Papierhandtuch.
    »Krach mit meinem Freund«, säuselte ich und setzte ein süßliches Lächeln auf. Keine allzu schwierige Aufgabe, wenn man bedenkt, wessen Gesicht ich trug. Tatsächlich würde jeder, der in den Spiegel sah, glauben, ich sei zusammen mit Ete und Petete hier. Selbst nach der Nacht, die ich hinter mir hatte, sah Alice immer noch niedlich und frisch aus. Nachdem mein alter Körper immer Tränensäcke ausgebildet hatte, wenn ich um halb zehn noch nicht im Bett war, musste ich zugeben, dass mein neuer Körper durchaus Vorteile hatte.
    Die Nachteile entdeckte ich, sobald ich die Damentoilette verlassen hatte. Nicht weniger als sieben Männer machten mich an, und einer von ihnen erdreistete sich doch glatt, mir an den Hintern zu greifen. Ich glaube nicht, dass ich ihm die Nase gebrochen habe, aber nachdem ich ihm eine verpasst hatte, verschwand er derart schnell in der Menge, dass ich es

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