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Erwachen

Erwachen

Titel: Erwachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Kenner
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verarschte.
    Ich wollte nur eins: Wieder diese Verbindung spüren - diese Ganzkörperlust, die alles zum Schmelzen brachte so wie da, als er mich zum ersten Mal an sich gezogen hatte.
    Ich seufzte, weil ich mich noch gut an das Verlangen und die sinnliche Verzweiflung erinnern konnte.
    Doch im nächsten Moment spannte sich alles in mir an, während die trunkenen Tänzer weiter um uns herumwirbelten. Ich musste einen kühlen Kopf bewahren. Unbedingt. Wenn ich das nicht tat, konnte ich nicht rausfinden, was er vorhatte.
    Das trübe Licht ließ seine harten Gesichtszüge ein wenig weicher wirken. Er sah mich abschätzend an. »Willst du etwa wieder weglaufen?«
    »Ich gehe nirgendwohin.« Es war tröstlich, das Messer an meinem Bein zu spüren.
    Er zog einen Mundwinkel leicht hoch und musterte mich von oben bis unten. »Gut. Wäre mir auch unangenehm, wenn ich dich schon wieder in Angst und Schrecken versetzt hätte.«
    »Wie bitte?«, entgegnete ich empört. »Mich in Angst und Schrecken versetzen?« .
    »Etwa nicht?« Sein Gesicht verzog sich zu so etwas wie einem Lächeln, und ich glaube, er zwinkerte mir sogar zu. »Ich hätte geschworen, nur deshalb bist du derart schnell abgehauen. Wegen dem, was du gesehen hast. Was wir beide gesehen haben.«
    Ich zuckte zusammen. Zum ersten Mal wurde mir bewusst, dass er es ebenfalls gesehen hatte. Er hatte nicht nur gespürt, dass ich darin herumgestochert hatte. Er hatte gesehen, was ich gesehen hatte. Er wusste, was ich wusste.
    Mit abgedrehten Psychovisionen kannte ich mich nicht sonderlich gut aus, aber immerhin wusste ich, dass normalerweise zwei Menschen nicht dieselben haben. Dass es diesmal anders gewesen war, machte mich auch nicht gerade fröhlicher. Im Gegenteil, es machte mich nur nervöser.
    Und das steigerte sich noch, als er auf mich zutrat, mir die Hand auf die Schulter legte und mit seinem Mund ganz nah an mein Ohr kam. »Welcher Teil der Vision hat dir mehr Angst eingejagt? Der blutige Horror? Oder wir beide, nackt ineinander verschlungen?«
    »Weder noch«, log ich.
    »So?« Er richtete sich auf, sodass ich ihm ins Gesicht sehen konnte. Es wirkte abweisend und undurchschaubar, doch er strahlte eine Wut aus, die er - so mein Eindruck - nur mithilfe seines unbeugsamen Willens unter Kontrolle hielt. »Und wieso bist du dann weggelaufen?«
    »Ich bin nicht weggelaufen«, log ich.
    »Natürlich nicht.«
    »Ich habe gearbeitet«, entgegnete ich entschlossen, wenn auch etwas zu laut. »Ich musste zurück zur Arbeit.«
    »Was die Frage au f wirft, warum du dann überhaupt in meinem Kopf herumgestochert hast. Du hast dein Versprechen gebrochen, Alice, ein wichtiges Versprechen. Glaub nicht, dass ich das auf die leichte Schulter nehme.«
    Ich legte den Kopf auf die Seite, weil ich aus seiner Stimme mehr als nur Wut heraushörte. Hier ging es nicht um ein nicht gehaltenes Versprechen; es ging um das, was ich entdeckt hatte. Und ich verstand verdammt gut, wieso er sauer war. Hätte ich die Psyche dieses Mannes gehabt, hätte ich auch nicht gewollt, dass irgendjemand darin rumschnüffelt.
    »Tut mir leid«, sagte ich und meinte es auch so. »Das wollte ich nicht. Es ist einfach so passiert. Ich habe das nicht mit Absicht gemacht. Ehrlich.«
    Er ließ den Blick über mein Gesicht wandern, und ich hinderte ihn nicht daran, weil ich absolut sicher war, dass er dort nichts als die Wahrheit entdecken würde.
    »Wenn irgendjemand anderer so in meinem Kopf rumwühlen würde, wäre er längst tot«, sagte er, und es klang durchaus überzeugend.
    Aufmüpfig hob ich das Kinn. »Und wieso bin ich dann noch am Leben?«
    Er lächelte und fuhr mit dem Finger die Linie meines Kinns nach. In dieser Berührung lag ein Versprechen, das alles in mir zum Vibrieren brachte. Die Härchen auf meiner Haut stellten sich auf, sowohl bei der Erinnerung als auch aus Vorfreude. Wieder ergriff die Begierde Besitz von mir, und mein Körper schien im Rhythmus der Lichter im Club zu pulsieren. Meine Lust war so überwältigend, dass ich schon fürchtete, ich könnte sie nicht mehr in Schach halten.
    »Es hat dir Angst gemacht«, sagte er. »Das, was du gesehen hast.«
    »Mir macht so schnell nichts Angst«, entgegnete ich und schob mich an ihn heran, nur um mir zu beweisen, wie leicht das ging. Wie problemlos ich diese neue Macht in mir unter Kontrolle hatte.
    »Stimmt das?«
    Als Antwort lächelte ich nur und ließ die Finger über seine Schulter und dann ganz sanft über seinen Arm gleiten. Ich rückte

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