Erwachen
ich euch schon ermöglicht, hier euer Ding durchzuziehen? Und das ist der Dank, den ich dafür bekomme? Das kann doch wohl nicht euer Emst sein!«
Ich trat einen Schritt zurück. Was auch immer da gerade ablief - Egan war total sauer. Und da das Ganze nach einer sehr privaten Sache klang, wollte ich nur noch nichts wie weg. Als ich jedoch hörte, wie seine Stimme bei den nächsten Worten einen respektvollen Unterton bekam, blieb ich abrupt stehen. Es klang, als hätte ihm jemand mit einer Nadel in die aufgeblähte Brust gestochen und alle Luft wäre entwichen.
»Nein, nein. Natürlich würde ich nie … Genau. Genau, ja, ich weiß.« Stille, dann: »Das glaube ich nicht. Auf keinen Fall. Ich musste nur Dampf ablassen. Sie hat mich einfach aus dem Konzept gebracht.« Noch längere Stille, dann weiteres Arschkriechen. »Unbedingt. Ja, natürlich. Was immer ihr braucht. Gar kein Problem.«
Danach hatte ich keinen Nerv mehr, mir den Best anzuhören. Egan würde stocksauer sein, wenn er aus diesem Baum kam - wer wäre das nicht, wenn man ihm dermaßen den Schneid abgekauft hätte und ich wollte ihm lieber nicht vor die Füße laufen.
Was ich wollte, waren Antworten.
Wem hatte er das Pub angeboten, und wie hatten sie ihn ausgetrickst? Und diese »Sie«, die ihn aus dem Konzept brachte? War ich das? Oder besser gesagt - Alice? Hatte sie irgendetwas über die Leute am anderen Ende der Leitung herausgefunden? Jene Leute, die einem Bullen von einem Mann wie Egan Angst einjagen konnten?
Hatte sie sich mit jemandem eingelassen, der Egan bedrohte? Oder zumindest zur Weißglut brachte? Und ihn auf jeden Fall unter seiner Knute hatte?
Meine Gedanken drehten sich im Kreis, und mit jeder neuen Idee trugen mich meine Füße schneller durch das Labyrinth zur Küche und schließlich in den Schankraum zurück.
Trish brüllte mich an, kaum dass sie mich erblickte, aber ich gab keine Antwort. Ich war viel zu sehr mit all den Fragen beschäftigt und mit dem Gefühl von Hilflosigkeit, das aus dem Wissen entstand, dass ich die Antworten darauf nicht so schnell finden würde.
22
Ich hatte das Motorrad in der Gasse hinter dem Pub abgestellt, ohne mir Gedanken zu machen, wie ich reagieren sollte, falls mich jemand darauf ansprach. Oder besser gesagt: Ein paar Gedanken hatte ich mir schon gemacht. Aber nachdem Alice offenbar kein Auto besaß, hatte ich die Notwendigkeit, unauffällig und im Einklang mit ihrer Persönlichkeit zu bleiben, meinem Bedürfnis untergeordnet, nicht zu Fuß zur Arbeit gehen zu müssen.
Ich war gerade auf dem Weg zum Motorrad, als mich jemand an der Schulter berührte. Ich wirbelte herum, das Messer in der Hand. Es war Gracie.
Sie kreischte auf, und ich ebenfalls, dann machte ich einen Satz nach hinten und verbarg das Messer hinter meinen Rücken.
Zu spät - sie hatte es bereits entdeckt. »Wow!«, sagte sie. »Meine Mom predigt mir dauernd, ich soll mir einen Elektroschocker besorgen, vor allem seit letztem Sommer.« Vor ein paar Monaten war eine Reihe von Mädchen verschwunden. Überwiegend solche, die das College geschmissen hatten, Mädchen mit wenig Geld und ohne Familie in der Nähe. Der Fall hatte es bis in die Nachrichten gebracht, und soweit ich wusste, war keine von ihnen wieder aufgetaucht. Vielleicht konnte ich jetzt, wo ich die Superbraut war, für sie zurückschlagen, für sie das Böse bekämpfen.
Gracie beäugte das Messer. »Das ist ja noch abartiger als das, das du sonst immer hattest!« Ich blinzelte, überrascht, dass Alice überhaupt mit einer Waffe rumgelaufen war. »Und ich bleibe dabei: Das ist eine bescheuerte Waffe. Ich habe mal einen Selbstverteidigungskurs gemacht, und da sollten wir mit einem Messer in eine Puppe stechen. Ich konnte es nicht, und das meine ich im wörtlichen Sinn. Diese Haut war vielleicht zäh! Außerdem hat die Puppe total echt ausgesehen.« Sie zuckte mit den Achseln. »Elektroschocker. Mütter haben immer recht.« . »Wirklich blöd«, entgegnete ich und steckte das Messer wieder in meinen Mantel. »Gestern Abend sind hier auf der Straße ein paar Typen rumgelungert, und als mir das heute Morgen wieder eingefallen ist, hab ich mir einfach das nächstbeste Messer geschnappt.«
»Du hast dir also gedacht, wenn du schon so blöd bist, nachts zu Fuß nach Hause zu gehen, solltest du wenigstens nicht so blöd sein, das ohne Messer zu tun? Weißt du denn nicht, dass solche Typen es dir einfach abnehmen würden? Wenn sie wirklich vorhaben, dich anzugreifen,
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