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Erwachen

Erwachen

Titel: Erwachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Kenner
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mir, und jetzt charakterisieren sie auch mich. Die Ausdünstungen des Pubs. Der Gestank des Tötens.
    »Bestellung fertig«, rief Caleb, und ich nahm dem stämmigen Koch drei Körbchen mit Fisch ab und kehrte in den Schankraum zurück, wo ich sie vor einer Gruppe von Leuten Mitte zwanzig absetzte, die einige Gesetzestexte aufgeschlagen vor sich liegen hatten. Sie nahmen mich kaum wahr, so sehr waren sie in ihre Diskussion über Liegenschaften und Nießbrauch vertieft.
    Ich schlenderte zum Tresen, um von Egan einen Drink zu schnorren, aber er war nicht da. Stattdessen zapfte Trish ein Bier nach dem anderen wie ein Profi. Ich beugte mich über den Tresen, griff nach dem Limonadenspender und einem leeren Glas und versuchte, es mit Sprite zu füllen. Nichts. Nur ein paar armselige Tropfen kohlensäurehaltiges Wasser, und selbst die bestanden größtenteils aus Luft.
    »Verdammt! Wo ist Egan?«, fragte ich. Ich war kurz vorm Verdursten.
    Trish zeigte zur Küche. »Im Lager, nehme ich an. Ich weiß nur, dass er sich verdrückt hat, und jetzt komme ich hier nicht mehr weg.«
    »Tut mir leid.«
    »Hey. Das betrifft dich genauso.« Sie schob mir ein Tablett mit Pints rüber. »Tisch siebzehn.«
    »Aber ich muss …«
    »Du musst mir helfen, das ist alles, was du im Moment musst.«
    Okay, sie hatte ja recht, aber ich war wild entschlossen. Allerdings war ich nicht blöd, also nahm ich das Tablett und servierte das Bier. Doch dann ging ich nicht zurück zum Tresen, sondern eilte auf die Küche zu, und als Trish das sah, ließ sie einen derart verärgerten Schrei los, dass sich alle Köpfe im Pub umdrehten. Ich winkte ihr zu und versprach, gleich wieder zurückzukommen. So macht man sich vermutlich keine Freunde, aber manchmal muss man einfach durchziehen, was man sich vorgenommen hat.
    Meine Füße fanden von allein den Weg zum Lager: die Treppe hinunter, vorbei am Kühlhaus und an der Nische mit den Fässern, wo ich vorher mit Egan geredet hatte.
    Der Keller des Pubs bestand aus einer Reihe von verwinkelten Gängen, teilweise aus Stein, teilweise mit Holz vertäfelt. Er erinnerte mich derart an ein Labyrinth, dass ich mir schon wünschte, ich hätte Brotkrumen mitgebracht. Die Tür zum Lager war auf der linken Seite, und während ich vor mich hinging, ließ ich die rechte Hand über die Steinwände gleiten. Auf Höhe des Kühlhauses merkte ich jedoch auf einmal, dass ich nicht Stein unter meinen Fingern spürte, sondern kaltes Metall.
    Sie war mir bisher noch nicht aufgefallen, aber jetzt sah ich, dass dort eine schmale Bronzetür war, verziert mit seltsamen Symbolen, die mir irgendwie bekannt vorkamen. Aber als ich versuchte, die Erinnerung zu greifen, rann sie mir davon durch die Finger wie Wasser.
    Probehalber drückte ich gegen das Metall, das unter meinen Handflächen zu pulsieren schien. Ich beugte mich vor und suchte nach einem Knauf, wild entschlossen, da reinzukommen und zu sehen, was sich hinter dem magischen Vorhang verbarg. Aber ich fand nichts und knallte frustriert die Faust gegen die Tür.
    Mein Frust verwandelte sich in Besessenheit, und vermutlich wäre ich dort für den Rest meines Lebens stehen geblieben und hätte versucht, das Hindernis mit purer Willenskraft zu überwinden. Doch dann hörte ich hinten im Flur Egans Stimme.
    Reichlich widerwillig bewegte ich mich von der Tür weg, bis die Anziehungskraft der Stimme schließlich größer wurde als die der Tür.
    »Verdammt, ich muss es wissen!«, drang Egans Stimme aus dem Lager. »Ihr könnt mich doch nicht dermaßen im Unklaren lassen.«
    Ich blieb stehen, teils weil ich neugierig war und teils weil ich nicht stören wollte. Ich hatte damit gerechnet, eine zweite Stimme zu hören, aber als wieder nur Egan sprach, fiel mir ein, dass an der Wand neben der Tür ein Telefon hing.
    »So? Na gut, dann sag mir, was los ist! Ich will wissen, warum ich diesen ganzen Scheiß plötzlich wieder am Hals habe!« Ich hörte Schritte, dann tauchte sein Schatten im Türrahmen auf.
    Rasch zog ich mich zurück, presste mich gegen die Wand, hielt den Atem an und betete, er möge in den Raum zurückkehren. Ich hatte keine Ahnung, mit wem er telefonierte oder worüber er dermaßen sauer war, aber ich wusste, dass ich ihn nicht dabei stören wollte.
    Als ob mein Wille Macht hätte, zog sich der Schatten zurück, und Egans Stimme wurde leiser. »Auf keinen Fall! Auf gar keinen Fall! Ich habe ein Recht, das zu wissen. Ich habe diesem Pub meine Seele verschrieben. Wie lange habe

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