Erwachen
den Schmerz.«
Der aber war so gewaltig, dass ich kaum mitbekam, wie er meinen Arm aufschlitzte und das Blut über das Symbol schmierte. Er hatte recht. Der Schmerz ließ beinahe schlagartig nach, und ich seufzte erleichtert auf. Und bestürzt. Wie oft würde ich so etwas noch durchmachen müssen, bis dieses Abenteuer endlich vorbei war?
Clarence blickte ernst zu Zane. »Sorg dafür, dass sie bereit ist. Schnell!«
Zane nickte und neigte den Kopf. »Da entlang«, sagte er und durchquerte geschmeidig wie ein Panther den Übungsraum. Seine angeborene Sinnlichkeit haftete an ihm wie frühmorgendlicher Tau. Eine Sinnlichkeit, die ich zwar schon in mich aufgesaugt, aber noch nicht zu kontrollieren gelernt hatte.
Vor einem grauen Stahlschrank blieb er stehen. Drehte sich mit einem wohlwollenden, aber auch fordernden Blick zu mir um. »Ein Pech, dass du diese Mission unternimmst, bevor es dunkel ist, ma fleur . In der Nacht könntest du mehr Waffen unbemerkt mitführen als bloß Messer.«
Er schaute auf meinen Schenkel, das Messer steckte in der Scheide. Genauer gesagt: das Messer, das ihn getötet hatte. Aber in dem Punkt war er in keinster Weise nachtragend.
»Ich dachte, ich müsste mit dem Messer töten.«
Er grinste. »Und ich dachte, du wolltest Waffen haben, die die Bestien aufhalten.«
Er packte die beiden Metallgriffe des Schranks, drehte sie und zog mit großem Tamtam die Türen auf. Drinnen schimmerte es wie in einem alten Gruselfilm. Armbrüste, Morgensterne, Dolche und Hellebarden, dazu die üblichen Springmesser, Schwerter und gefährlich aussehende Jagdmesser.
Ich pfiff durch die Zähne und zog schnell meine Hand zurück, als mir klar wurde, dass sie nach einer Waffe gegriffen hatte, ohne dazu aufgefordert worden zu sein.
Zane hatte meine Reaktion ebenfalls bemerkt. »Du bist ja eifrig bei der Sache, n’est-ce pas? Bien. Je besser du vorbereitet bist, desto leichter wirst du dich auf das Wesentliche konzentrieren.«
»Das Zeug da ist für mich?«
»Irgendwann schon.« Er nahm aus dem mittleren Regalfach ein einfaches Springmesser. »Wie gesagt, diese Waffen sind für Nachteinsätze gedacht.«
»Das heißt also, ob ich wegen mangelhafter Ausrüstung abgeschlachtet werde oder nicht, hängt von der Tageszeit ab, zu der ich mich auf die Jagd mache? Pforten der Hölle, du erinnerst dich? Grausige, böse Dämonen, oder? Verzeih mir bitte, wenn ich in dem Punkt hartnäckig bin, aber meiner Meinung nach ist ein Breitschwert untertags die bessere Lösung. Glaub mir.« Ich dachte an die Dämonen in der Gasse. »Die Gegenseite ist auch nicht gerade wählerisch, was die Bewaffnung angeht.«
»Ich kann dir versichern, dieses Messer reicht völlig.«
Er drückte auf den Knopf, und die Klinge sprang heraus. Das Metall glitzerte in dem grellen Licht, das von einer einsamen Glühbirne oberhalb des Schranks beigesteuert wurde.
Er reichte es mir. Als ich es nahm, strichen meine Finger über seinen Handteller, und schon diese geringfügige Berührung löste in mir eine geradezu elektrische Überhitzung meines sinnlichen Bewusstseins aus.
Schnell zog ich die Hand zurück aus Angst, das Ganze würde sich noch steigern. Ich blickte hoch, als würden meine Augen magnetisch von seinem Gesicht angezogen. Er musterte mich wissend, aber teilnahmslos. Nur um seine Mundwinkel zeigte sich der Ansatz eines Lächelns.
»Sie ist gut, glaube ich, ma fleur.«
»Was ist gut?«
»Die Verbindung.« Sein Daumen strich wie zufällig über seine Brust, aber ich wusste es besser. Er trat einen Schritt näher. Die Schweißperlen auf seinem glatten Schädel und den Unterarmen strömten einen Moschusgeruch aus. »Wer weiß, was passieren könnte, wenn wir eine Steigerung zuließen, was, ma cherie?«
Mit bedauerndem Kopfschütteln trat ich nach hinten. Zane legte den Kopf schief und musterte mich nachdenklich. »Interessant.«
»Dass ich zu einem derart reizvollen Mann wie dir Nein sage?«
»Mais oui. Und dass es da noch einen anderen gibt. Das stimmt doch, oder? Wer ist es? Dieser Mann, der dich hindert? Ein Überbleibsel aus deinem früheren Leben? Oder eine neue Faszination?«
Ich zwang mich, nicht schuldbewusst in Clarence’ Richtung zu schauen. Wenn einer der beiden erfuhr, dass Deacon dieses Objekt der Begierde war …
Ich lenkte meine Gedanken wieder auf die Gegenwart. »Das Einzige, was mich momentan fasziniert, ist dieses Messer. Und ich glaube kaum, dass meine Libido für diese Mission maßgeblich ist. Oder?«
»1:0
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