Erwachen
picobello.
Bis ich meine Jacke an den Kleiderständer gehängt hatte und ins Wohnzimmer gegangen war, wühlte Clarence schon in meinem Kühlschrank herum. »Ganz schön mager. Hast du keine Zeit, mal einkaufen zu gehen?«
»Wie lange hast du vor der Tür gewartet? Hättest du dir in der Zeit nicht schnell eine Cola Light besorgen können?«
»Nicht gerade das, was ich gern hätte«, murmelte er und stöberte weiter im Kühlschrank herum, bis er endlich ein Bier auftrieb. »Ha! Überprüfe immer das Gemüsefach.« Er öffnete die Flasche und trank einen Schluck. Ein R ülpser und ein Seufzer folgten. Zauberhaft.
Ich drückte mich an ihm vorbei, um selbst an den Kühlschrank zu kommen. Weil ich auf Bier zum Frühstück weniger stand, schnappte ich mir eine Flasche Mineralwasser. In einem Punkt hatte er recht: Irgendwann musste ich zwischen dem Training, meinem Job als Bedienung und den Besuchen in der Vergangenheit mal einen Ausflug in den Supermarkt einschieben.
»Was hast du eigentlich im Hausflur getrieben?«, fragte ich, nachdem wir es uns beide im Wohnzimmer gemütlich gemacht hatten, ich auf der Couch, die Füße auf dem Beistelltisch, er in einem Polstersessel, der ihn umschlang wie ein begeisterter Liebhaber.
»Mir einen ziemlichen Durst angewartet«, antwortete er und hob wie zum Beweis die Flasche an die Lippen.
Meine R eaktion könnte man als hämisch bezeichnen, aber ich konnte nicht anders. Endlich hatte ich kapiert - er durfte nicht mehr unaufgefordert meine Wohnung betreten. Ich hatte den Test bestanden. Ich hatte bewiesen, dass ich tatsächlich diejenige war, von der in der Prophezeiung die Rede war, und das hieß: Die Wohnung gehörte mir.
»Du kannst nicht mehr rein«, trällerte ich. Es hätte nicht viel gefehlt, und ich hätte Händeis Halleluja gesummt. »Das ist jetzt meine Wohnung. Keine Leihgabe mehr. Sie gehört mir. Mir!«
»Werd bloß nicht zu übermütig! Ich bin immer noch dein Boss.« Aber als er das sagte, zuckte ein Lächeln um seine Mundwinkel. Ich schwöre es.
»Meins, meins, meins.« Mir war klar, dass ich hier die Grenze zum Ärgernis überschritt, aber es war stärker als ich. Ich hatte in diesem irren neuen Leben tatsächlich etwas zuwege gebracht. Ich hatte einen Test bestanden und Fortschritte gemacht. Und das, meine Freunde, war sagenhaft.
»Bedeutet das, mein Kopf ist für dich jetzt auch Sperrgebiet?«
»Hey! Willst du mir daraus etwa einen Strick drehen? Immerhin hast du rausgefunden, wie du mich auf Distanz halten kannst«, sagte er und summte die Melodie von Conjunction Junction.
Ich errötete, was mich sauer machte. »Es ist mein Kopf. Ohne Genehmigung solltest du da eigentlich überhaupt nicht reindürfen.« Ich drehte innerlich die Lautstärke eines R efrains aus Schoolhouse Rock hoch und besann mich auf etwas, das Madame Parrish zu mir gesagt hatte: auf den Geheimnishüter. Was das auch immer sein mochte, ich musste einen finden.
Clarence nahm einen ordentlichen Zug von seinem Bier und zuckte dann mit den Schultern. »Ja, also, in deinen Kopf, da komme ich im Lauf der Zeit immer schlechter rein. Diese Geschichte mit den Liedern und …« Er sprach den Satz nicht zu Ende, setzte die Flasche wieder an und gönnte sich noch einen ordentlichen Schluck.
Hellhörig geworden kniff ich die Augen zusammen. »Was? Du kommst nicht mehr so leicht in meinen Kopf? Wieso?«
Er antwortete nicht, aber das war auch nicht notwendig, denn im selben Moment wusste ich den Grund. Mir wurde schlecht.
Clarence kommt nicht in den Kopf von Dämonen.
Und ich saugte dämonische Essenz in mich auf. Jedes Mal, wenn ich mit einem Messer tötete, wurde ich selbst einem Dämon immer ähnlicher. Weniger menschlich. Weniger ich.
Großer Gott!
Ich sank in die Couch zurück und presste die Fingerspitzen gegen die Schläfen.
»Nun mach dir mal nicht ins Hemd! Du bist in Sicherheit. Einen Draht in deinen Kopf habe ich noch.«
Ich blickte zu ihm hoch. »Aber ich habe doch recht, oder? Genau das habe ich bei Zane schon gesagt. Die Dämonen, die ich töte, verändern mich.«
»Kindchen, du hast dich ab dem Augenblick verändert, wo du in Alice’ Körper geschlüpft bist. Hör auf mit den Haarspaltereien. Du bist hier und erledigst einen Job.«
»Aber…«
»Verflucht noch mal, das haben wir dir doch lang und breit erklärt! Du kommst damit klar, sonst wärst du nicht die, die du bist. Du steckst das weg, lässt das nicht an dich ran. Du benutzt es. Benutz das Dämonische in dir für die
Weitere Kostenlose Bücher