Erwachen
Traktoren und Bulldozern wieder, die dort über Nacht abgestellt waren. Ich blieb unter einem Traktor liegen. Nicht weil ich das für ein tolles Versteck gehalten hätte, sondern weil meine Beine den Geist aufgaben.
Ich schloss die Augen, schickte ein Stoßgebet zum Himmel und hoffte, Gott würde ein Auge auf seine aufstrebende Kriegerin haben … und dass die Polizei davon ausging, eine Autodiebin würde sich schleunigst aus dem Staub machen und nicht so blöd sein, ihr Lager unter Baumaschinen ganz in der Nähe aufzuschlagen.
Eine Zeit lang hörte ich kein Geräusch außer dem sanften Rauschen des Verkehrs.
Keine Ahnung, ob ich starb oder nur schlief. Das Nervengift konnte sehr gut mein Herz zum Stillstand gebracht haben. Mithilfe von Zanes Substanz hätte es dann wieder zu schlagen begonnen.
Vielleicht bin ich auch einfach nur ohnmächtig geworden.
Ich wusste es nicht, was mir, ehrlich gesagt, ein wenig unheimlich war.
Nicht dass ich lange darüber nachgrübeln wollte. Ich musste vielmehr dringend raus hier.
Ich rollte mich unter dem Traktor hervor. Meine Muskeln waren noch steif, aber wieder voll funktionstüchtig. Als ich niemanden in der Nähe sah, atmete ich erleichtert auf. Falls die Polizei gekommen war, dann war sie jetzt jedenfalls wieder fort. Und mein unbekannter Angreifer hatte mich auch nicht gefunden.
Die Schulter tat mir noch weh, aber ein flüchtiger Blick zeigte mir, dass die Wunde verheilt war. Meine Kleider hingen in Fetzen an mir runter. Ich wollte dringend duschen, noch dringender jedoch wollte ich einige Antworten.
Und ich kannte nur einen Ort, an dem ich fragen konnte.
30
Als ich endlich vor Zanes Tür stand, war schon Mitternacht vorbei. Mein Handabdruck verschaffte mir Zutritt, dann fuhr ich mit dem Aufzug in das Untergeschoss mit dem Übungsraum hinab. Noch bevor der Käfig ganz unten angelangt war, hielt ich Ausschau nach Zane.
Alles leer.
Aber ich wusste, dass er hier war. Er musste hier sein. Ich überflog den Raum und entdeckte an der Rückwand neben einem Metallregal mit weißen flauschigen Handtüchern eine schmale, unauffällige Tür. Ich ging rüber, öffnete sie und bewegte mich leise vorwärts. Ein Gästezimmer. Zane lag, mit einem dünnen blauen Laken bedeckt, auf einer Eisenpritsche.
Unbemerkt schlich ich mich zu ihm, setzte mich auf den Rand des Gestells und drückte ihm die Hand flach auf die nackte Brust, genau oberhalb des Herzens.
Er schlug die Augen auf. Als er sa h , dass ich es war, beruhigte sich der Kämpfer in ihm wieder. »Wir haben uns Sorgen gemacht! Das Portal hat sich geschlossen, und du bist nicht durchgekommen. Dann verging Stunde um Stunde, ohne dass du dich gemeldet hättest.«
»Wie hältst du das aus?«, fragte ich ihn leise. »Wie hältst du das Wissen aus, nicht sterben, aber endlos leiden zu können? Dass man dich in Stücke hauen und einfach liegen lassen könnte, weil man dich für tot hält? Oder dass du Hunderttausende von Jahren in einer Gruft aus Beton begraben sein könntest? Wie lebst du mit diesem Wissen?«
Tränen traten mir in die Augen, dann spürte ich den sanften Druck seiner Hand auf meiner.
»Ich lebe damit, mafleur, weil mir nichts anderes übrig bleibt.« Er setzte sich auf und enthüllte den Rest seiner nackten Brust und seines Waschbrettbauchs. Das Laken rutschte ihm auf die Hüften. Offenbar war er völlig nackt. »Was ist heute Nacht geschehen, cherie?«, fragte er mit unendlich sanfter Stimme.
Ich deutete auf die Stelle, wo das Messer meinen Overall zerfetzt hatte. »Ich wurde angegriffen. Nach dem Auftrag. Die Klinge war vergiftet oder sonst wie präpariert, ich weiß es nicht genau.«
Beim Wort Gift wurde er hellhörig. Er beugte sich vor, um die inzwischen verheilte Wunde zu begutachten. »Erzähl es mir. Erzähl mir genau, was passiert ist.«
Ich erzählte es ihm und sah, wie seine Augen hart und ausdruckslos wurden.
»Die Wahrheit über dich kannten sie nicht, cherie«, sagte er schließlich. »Aber die höhere Wahrheit - wer du bist und warum du hier bist -, die müssen sie kennen.«
»Das glaube ich auch. Töte mich, dann kann sich das Böse eine Auszeit nehmen.« Ich schaute ihn von der Seite an. »Andererseits: Vielleicht wussten sie doch, dass ich deine Essenz in mir habe. Vielleicht haben sie mich gelähmt, um mich in lauter kleine, unsterbliche Teilchen zu zerstückeln.« Bei dem bloßen Gedanken lief es mir eiskalt den Rücken runter. Diese Vorstellung war der reinste Horror. »Aber ich bin
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