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Erwachen

Erwachen

Titel: Erwachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Kenner
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konnte. Sich mit ihnen vereinigen konnte. Macht und Einfluss gewinnen konnte. Und mit jedem Menschen, der die Finsternis in sich aufnahm, dehnte sich das Böse weiter aus.«
    »Indem das Böse verbreitet wird, erweitert sich die Hölle.«
    »Genau.«
    »Und dieses Gruftie-Mädehen, der Tri-Jal - das war also ein richtiger Mensch? Aber eben ein sehr starker Verbündeter der finsteren Mächte?«
    Er schüttelte den Kopf. »Die äußere Hülle bekam für die Bewohner der Finsternis eine solche Schlüsselstellung, dass manche Dämonenarten lernten, sie herzustellen. Aber es ist nur eine Verpackung, um in unsere Dimension einzudringen - denn die wahre Gestalt eines Dämons fiele hier zu sehr auf.« Ich dachte an den Grykon und nickte. »Das Böse bekommt Menschen dann am leichtesten in seine Gewalt, wenn es behutsam vorgeht. Wenn es so aussieht und sich so anfühlt wie etwas, das uns möglichst vertraut ist.«
    »Dann sah der Dämon zwar aus wie ein Mädchen, hatte aber nichts Menschliches an sich. Nicht wie dieser Mensch, der besessen war. In dem steckte noch ein Best von Mensch. Er war nur zusammen mit einem Dämon eingesperrt.«
    »Eingesperrt«, nickte Zane, »und unterjocht.«
    Ich stand auf und ging zum Bücherregal hinüber, während ich mir seine Worte durch den Kopf gehen ließ. »Wenn Menschen das Dunkel in sich aufnehmen können, können dann Dämonen auch das Licht in sich aufnehmen?«
    Er lächelte. »Ali, ma cherie, das ist die Frage! Ein einziger Mann kann die Dimension der Hölle ausdehnen, indem er sich dem Bösen anschließt. Kann Gott dann nicht auch durch ein Kind der Finsternis bereichert werden, das sich dem Licht zuwendet?«
    »Und? Kann er?«
    »Alles Natürliche kann gut sein oder böse. Das ist der freie Wille, cherie. Aber jeder von uns, ob Mensch oder Dämon, besitzt eine wahre Natur. Und nur sehr wenige sind so tapfer, sich dagegen aufzulehnen.«
    Das war wohl ein eingeschränktes Ja. Ich befeuchtete meine Lippen und fragte mich, was wohl meine Natur war. Und ob sie sich verändert hatte, als ich zu Alice wurde, und ob sie sich noch immer veränderte, wenn ich Tag für Tag Dämonen absorbierte.
    »Zieh deine Natur nicht in Zweifel, cherie!«, sagte er freundlich. »Du hast ein gutes Herz.«
    »Und du? Wie sieht es mit deiner Natur aus?«
    Er lächelte gezwungen. »Ich kämpfe auf der Seite der Rechtschaffenheit. Das schwöre ich. Obwohl ich täglich für meinen Hochmut bezahle.«
    »Hochmut?«
    »Als ich jung war, wünschte ich mir das ewige Leben, eine Eigenschaft, die nur echten Engeln und körperlosen Dämonen gewährt wird. Ich handelte unbesonnen, weil ich etwas begehrte, das ich nicht richtig verstand. Und wenn ich die indirekten Folgen bedacht hätte, wäre es mir lieber gewesen, diesem Begehren wäre nicht stattgegeben worden. Für meine Dummheit wurde ich bestraft.« Seufzend schloss er die Augen. »Und nun teilst du meine Qual.«
    »Aber das heißt, du hast bekommen, was du wolltest«, sagte ich leise. »Unsterblichkeit.«
    »Sieht so aus«, antwortete er. Doch als er mich ansah, war sein Lächeln matt. »Es gibt Zeiten, da glaube ich, dass die Hölle der Ort ist, wo alle Träume in Erfüllung gehen.«
    »Das verstehe ich nicht.«
    »Weißt du, warum ich hier unten bin, Lily? Hier unten in diesem Gefängnis aus Stahl und Beton?«, fragte er, jetzt ohne jeden Akzent. »Hast du eine Vorstellung, wie alt ich bin? Wie viele Leben ich schon hatte? An wie vielen Orten ich gelebt, wie viele Frauen ich gehabt habe, wie viele Jahre ich wie Minuten habe vergehen sehen?«
    »Nein.«
    Ein trauriges Lächeln zuckte um seine Lippen. »Ich auch nicht. Aber es waren viel zu viele.«
    »Zane …«
    Er hob eine Hand. »Nein, hör mir zu! Ich habe Tausende von Leben gelebt, und ich bin einfach müde. So unsagbar müde, dass ich mich tatsächlich nach dem Tod sehne. Ich sehne das Ende dieses Lebens herbei und den Beginn eines neuen, egal in welcher Gestalt. Und dennoch kann ich das, was ich mir wünsche, nicht bekommen. Und zwar wegen meines eigenen dummen Ehrgeizes. Ich bin in einem von mir selbst erschaffenen Albtraum gefangen.«
    »Aber was hat das damit zu tun, dass du hier in diesem Keller sitzt?«
    »Ich habe vor langer Zeit einen Handel abgeschlossen: Ich bilde Krieger aus - und erhalte dafür meine Freiheit, wenn die Zeit reif ist. Man gewährt mir den Tod.« Er sah mir in die Augen. »Alles, was ich zu tun habe, ist hierzubleiben, zu unterrichten und trainieren.«
    »Zu bleiben?«, wiederholte

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