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Erwachen

Erwachen

Titel: Erwachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Kenner
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war zu frisch, die Eindrücke zu unmittelbar. Eine Welle von Stolz überkam mich. Von Siegesgewissheit. Von hochgradigem Märtyrertum, weil ich so gerissen gewesen war, die Bestie aufzuhalten.
    Ich hatte schreckliche Dinge getan. Brutale, furchtbare, kranke Dinge.
    Die man mir vergeben würde. Denn letztendlich hatte ich gewonnen. Ich hatte dem Herrn gute Dienste erwiesen und würde eine Belohnung erhalten.
    Nein.
    Ich stürzte auf den Bürgersteig, drückte die Hände auf den Asphalt, um mich zu zwingen, mich langsam und Schritt für Schritt der Wahrheit zu nähern.
    Das bin nicht ich. Ich habe nicht gesiegt. Ich habe verloren.
    Ich habe verloren, und die Schatulle existiert immer noch. Sie ist bereit für den Ruf. Bereit, die Pforte zu öffnen.
    Die Empfindungen, die durch mich hindurchrasten, waren nicht die meinigen. Es war die letzte intuitive R eaktion auf diesen miesen Drecksack von Dämon, der mir eine Niederlage zugefügt hatte.
    Die Pforten der Hölle würden aufspringen, und das war meine Schuld. Aber dieser selbstgefällige Hurensohn sollte in meinem Kopf keinen Siegestanz aufführen.
    Tat er aber doch, und ich wusste kein Mittel, ihn aufzuhalten. Jedenfalls noch nicht.
    Verdammt, verdammt, verdammt, verdammt!
    Also versuchte ich es gar nicht weiter, sondern presste die Stirn auf den Asphalt, damit es aufhörte. Ich wollte die Substanz absorbieren, in meinen Stoffwechsel integrieren, einbauen, weiterverarbeiten, damit ich mich endlich wieder um mein Leben kümmern konnte, nicht nur immer darum, das Leben jeder verfluchten Höllenbestie führen zu müssen, die ich umgebracht hatte.
    In der Ferne knirschte Kies, ich riss den Kopf hoch. Der Adrenalinausstoß hatte besser geholfen, die Gefühle zu verdrängen, als reine Willenskraft dies je vermocht hätte. Die Sonne war hinter den Dächern verschwunden, die nun lange Schatten auf die Gasse warfen. Im Dämmerlicht stand eine Gestalt. Wer es war, konnte ich nicht erkennen.
    Ich kniff die Augen zusammen, kämpfte jeden Ansatz von Fluchtinstinkt nieder und versuchte, einen Blick auf das Gesicht der Gestalt zu erhaschen. Nichts zu machen. Bis sie einen Schritt näher kam. Dann sah ich das kalte, bösartige Funkeln ihres Messers, das im Licht einer Straßenlampe schimmerte.
    Ich schrie, krempelte schnell den Ärmel hoch und klatschte die Hand auf das Symbol an meinem Arm. Das sollte die Brücke wieder errichten, über die ich fliehen konnte. Ich spürte den Ruck, sah die Schwärze, und dann - rums - schlug der Griff des geworfenen Messers meine Hand weg. Sofort verpuffte und zerplatzte das Portal und verschwand dann ganz.
    Sie war weg. Die Brücke war weg. Und obwohl ich die Hand wieder auf das Zeichen drückte, war das Symbol verblasst. Es funktionierte nicht mehr.
    Es hatte seine Kraft verloren, und ich stand unter Beschuss.
    Ich sah, wie der Arm ausholte, dann kam das Messer angeflogen. Völlig überrumpelt schrie ich auf, warf mich zu Boden und rollte mich seitlich ab.
    Das Messer verfehlte meine Brust, traf mich aber an der Schulter und fuhr glatt durch meinen schicken schwarzen Overall. Erst spürte ich nichts, dann setzte der Schmerz ein - ein starkes Brennen, wobei mein Körper bereits den Heilungsprozess einleitete.
    Ich versuchte, das fremde Messer an mich zu bringen, was neue Schmerzen in der Schulter auslöste - genau wie der Griff zu meinem eigenen, das immer noch in der Scheide steckte. Angesichts des Tempos, mit dem mein Körper inzwischen heilte, rechnete ich jedoch damit, demnächst wieder topfit zu sein.
    Lass es krachen, Baby!
    Am Ende der Gasse trat sie aus dem Schatten, eine große, schlanke Gestalt, ganz in Schwarz, selbst das Gesicht verhüllt. Genau wie ich. Zwei anonyme Krieger, bereit für den Kampf. Und da ich jetzt den Trick mit der Unsterblichkeit draufhatte, hielt ich mich eindeutig für überlegen. Zumindest, bis ich mein Messer ziehen wollte und merkte, dass es nicht ging. Mein Arm war wie gelähmt, ich hatte das Gefühl, eine Million glühend heißer Nadeln würden auf meine Nervenenden einstechen.
    Angst fegte meinen Hochmut beiseite.
    Verdammte Scheiße, was ist los mit mir?
    Das unangenehme Gefühl breitete sich aus. Meine Brust zog sich vor Kälte zusammen. Mein Bauch zitterte, als eisige Finger sich durch meinen Körper vorarbeiteten. Gift!
    Er hob eine Armbrust… zielte …
    Als er den Pfeil abschoss, zwang ich meine Beine, sich zu bewegen. Meine Muskeln stöhnten unter der eisigen Temperatur, die sich in den Knochen

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