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Erwachen

Erwachen

Titel: Erwachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Kenner
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Bilder strömten auf mich ein - Bilder eines Kampfs zwischen dem Dämon und jemandem, den ich nicht sah. Ich war es nicht, das wusste ich. Wer dann? Obwohl mein Luftvorrat zur Neige ging und mein Körper gegen Schmerz und Angst kämpfte, durchsuchte ich mein Gehirn nach irgendeinem Hinweis darauf, was genau ich sah und warum ich es sah.
    Keine Ahnung, woher, aber ich wusste, dass es noch nicht geschehen war. Es würde sich erst ereignen. Und auch wenn ich das hier genauso wenig verstand wie das, was wegen einer Prophezeiung aus mir geworden war, so war mir gleichzeitig klar, dass dies absolut real war. Was ich gesehen hatte, würde genau so kommen.
    Zumindest, wenn niemand den Lauf der Dinge änderte.
    Diese Gedanken peitschten mir durch den Kopf, nahmen Gestalt an, blieben aber ohne Zusammenhang. Vielmehr stürmte eine wahre Flut von Informationen über mich herein. Gedanken. Bilder. Eindrücke. Schlussfolgerungen. Ein konfuser Albtraum, in dessen Zentrum die Vision der vom Kampf vereinnahmten Bestie stand.
    In der Vision ließ der Dämon seinen Gegner kurz los, um nach hinten zu greifen und ein Breitschwert aus einer Scheide zu ziehen. Ich hatte es zuvor nicht bemerkt; vielleicht war es aber auch gar nicht da gewesen, sondern erschien erst, als es gebraucht wurde. Der Dämon hob das Schwert und holte mit Ehrfurcht gebietender Kraft aus. Und als er zur Seite glitt, um den Schwung des Schlags ausklingen zu lassen, sah ich das Gesicht seines Kontrahenten: Clarence.
    Wie nach einem Dammbruch zerplatzte die Vision, und meine Kraft flutete in mich zurück. »Du Teufel!«, schrie der Rufer und lockerte kurzzeitig seinen Griff. »Du gaukelst meinem Verstand Trugbilder vor.«
    Ich pfiff auf eine Erwiderung und schlug blindlings drauflos, angestachelt von Wut und der Angst, Clarence zu verlieren. Sicher, er ging mir auf die Nerven, aber inzwischen hing ich auch an dem kleinen Froschmann. Was aber wichtiger war: Er war die einzige Verbindung zwischen meinem alten und dem neuen Leben. Und niemand - ich betone: niemand - würde ihm ans Bein pinkeln, wenn ich es verhindern konnte.
    Ich warf mich hastig zur Seite und schaffte es, meinen Hals freizubekommen. Gleichzeitig schoss ich hoch, drückte meinen Schädel gegen den des Rufers und brannte in meinem Kopf ein Bilderfeuerwerk ab, das dem Nationalfeiertag zur Ehre gereicht hätte. Dass sich meine Schädeldecke anfühlte, als wäre sie zerplatzt, als würde sich mein Hirn auf den Orientteppich verteilen, beachtete ich nicht weiter. Ich machte das Einzige, was ich wirklich gut konnte: Ich drosch auf den Kerl ein, was das Zeug hielt. Mit dem Messer erwischte ich ihn an den Armen, schlitzte ihm die Flügel auf und trennte ihm mit einem verhängnisvollen Hieb sogar ein Ohr ab.
    Nur der Todesstoß gelang mir nicht. Wir wichen aus, wehrten ab. Ich hüpfte und wedelte herum und tat so, als wüsste ich, was ich da vollführte; er schlug mit seinen Klauen und Krallen um sich, und das mit einer Kraft, die ihm der Teufel höchstpersönlich verliehen haben musste. »Du bist voller Makel«, spottete er. »Unvollkommen. Dein Schicksal ist es zu scheitern.« Seine schwarzen
    Augen funkelten höhnisch. »Denn selbst wenn du diesen Kampf gewinnst, wird die Schlacht nicht in deinem Sinne enden.«
    »Mit dem Kampf bin ich dann erst mal zufrieden«, rief ich und rammte ihm das Messer in den schmalen Bereich zwischen Arm und Flügel. Der Hieb saß, der Dämon sackte zusammen.
    Tot war er allerdings noch immer nicht. Er taumelte durchs Zimmer, auf die Schatulle zu, ich ihm dicht auf den Fersen.
    Er fegte mich mit einem Flügel zu Boden und fummelte mit seinen Klauen an dem Kästchen herum. Ich krabbelte vorwärts, um irgendwie mit meiner blutigen Hand an die Schatulle zu kommen in der Hoffnung, eine bloße Berührung würde reichen.
    Ich schaffte es nicht rechtzeitig. Nur Zentimeter fehlten mir noch, als der Dämon die Schatulle hochhob und flüsterte: »Disparea!« Und die Schatulle war verschwunden.
    »Neeeeeeinl«, brüllte ich, schoss vor und stieß der Bestie das Messer ins Herz.
    Noch mit seinem letzten Atemzug grinste er mich an.
    Der Rufer war tot.
    Und die Schatulle fort. Ich hatte noch nicht einmal den Kampf gewonnen.

29
     
    Eilends verließ ich das Haus des Dämons. Mein Kopf war mit meinem Versagen gefüllt, während meine Gefühle sich mit einem Sieg brüsteten.
    Ich musste fort, musste mich von diesen Empfindungen innerlich abschotten. Sie verdrängen. Aber es ging nicht. Die Essenz

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