Erwachende Leidenschaft
nicht. Flannaghan!«
Colin hatte so laut gebrüllt, daß Alesandras Ohren klingelten. Flannaghan kam herbeigerannt und hielt das Päckchen bereits in den Händen, was darauf schließen ließ, daß er gelauscht hatte. Er stieß Colin das Ding förmlich in die Arme.
Alesandra griff nach der Schachtel, änderte bei Colins Blick jedoch sofort ihre Absicht. Statt dessen lehnte sie sich im Sofa zurück und faltete die Hände im Schoß. Colin attackierte die Schachtel sofort. Er riß das Band ab, wobei er vor sich hinmurmelte, dann rupfte er den Deckel ab und sah hinein. Alesandra linste um die Schulter ihres Mannes herum, um zu sehen, was darin war. Sie konnte einen kurzen Blick auf einen kunstvoll bemalten Fächer werfen, bevor Colin den Deckel wieder auf die Schachtel rammte.
»Dieser verdammte Hurensohn!« brüllte Colin. Und wiederholte den Fluch gleich noch einmal. Alesandra bemerkte, wie Nathan beide Male dazu nickte. Offensichtlich waren das auch seine Empfindungen.
Colin hielt das Kärtchen in der Hand und starrte es wütend an.
»Du willst also in dieser Sache nicht vernünftig sein?« neckte Caine ihn.
»Teufel, nein!«
»Eben«, murmelte Caine.
»Noch einer, und ihr seid genug für die Ausübung der Lynchjustiz«, sagte Jade. »Schau dir nur unsere Ehemänner an, Alesandra. Sie blasen diese ganze Sache ins Unermeßliche auf. Eine solche Eifersucht ist unbegründet.«
Sie erwartete Alesandras Zustimmung und war daher überrascht, als ihre Schwägerin den Kopf schüttelte.
»Colin und Caine sollten wirklich nicht eifersüchtig sein«, flüsterte Alesandra. »Aber sie sollten sich Sorgen machen.«
»Woher wußten Sie, was auf dem Kärtchen steht?« fragte Nathan. »Haben Sie schon vorher Geschenke bekommen?«
Colin wandte sich abrupt zu ihr um. Seine Miene war furchteinflößend und seine Stimme nicht besser: »Du hättest mir gesagt, wenn du schon etwas erhalten hättest, nicht wahr, Alesandra?«
Sie war froh, daß sie das bestätigen konnte. Colins Zorn war nun wirklich etwas beängstigend. »Ja, natürlich hätte ich es dir gesagt, und nein, ich habe noch nichts bekommen.«
Colin nickte. Er lehnte sich zurück, legte wieder den Arm um ihre Schulter und zog sie fest an seine Seite. Sie fand es tröstend und kümmerte sich nicht darum, daß er ihr dabei fast die Luft abdrückte.
»Sie wissen mehr, als Sie uns sagen«, verkündete Nathan.
Alesandra nickte. »Ja«, antwortete sie. »Und ich versuche seit einiger Zeit, jemanden dazu zu bringen, mir zuzuhören. Ich habe sogar Sir Richards um Hilfe gebeten.«
Sie wandte sich mit finsterer Miene zu Colin um. »Bist du jetzt bereit, dir anzuhören, was ich zu sagen habe?«
Colin war zwar überrascht von ihren Worten, mehr allerdings über ihren zornigen Tonfall.
»Was hast du mir zu sagen versucht?«
»Victoria hat Geschenke und Briefe von einem heimlichen Verehrer bekommen.«
Colin war entsetzt, als er daran erinnert wurde. Ja, Alesandra hatte versucht, ihm ihre Sorgen über ihre Freundin zu erklären, und er hatte sie nie ausreden lassen. Nun erkannte er, daß er es hätte tun sollen.
»Wer ist Victoria?« fragte Caine.
Alesandra antwortete ihm. Sie erklärte, wie sie Victoria kennengelernt hatte. »Nachdem sie nach England zurückgekehrt war, schrieb sie mir mindestens einmal im Monat. Ich habe ihr immer sofort geantwortet, und ich habe ihre Briefe stets sehr genossen. Sie führte ein so aufregendes Leben. Nun, in den letzten Briefen erwähnte sie jedenfalls einen Bewunderer, der ihr Geschenke schickte. Sie fand es ziemlich romantisch. Ihren letzten Brief bekam ich Anfang September.«
»Und was stand darin?«
»Sie hatte beschlossen, den Mann kennenzulernen«, antwortete Alesandra. »Ich war natürlich entsetzt und schrieb ihr sofort zurück. Ich sagte, sie solle bloß vorsichtig sein und lieber ihren Bruder mitnehmen, wenn sie schon entschlossen war, herauszufinden, wer dieser Bewunderer ist.«
Alesandra schauderte, und Colin drückte sie instinktiv. »Ich weiß nicht, ob sie meinen Brief noch bekommen hat. Vielleicht war sie zu dem Zeitpunkt schon fort.«
»Fort? Wohin fort?« fragte Jade.
»Es wird gesagt, daß Victoria nach Gretna Green ausgerissen sei«, erklärte Colin. »Alesandra glaubt aber nicht daran.«
»Es gibt keinerlei Eintragung über ihre Hochzeit.«
»Und was glauben Sie, ist wirklich passiert?«
Es war Nathan, der die Frage gestellt hatte, und bis zu diesem Augenblick hatte sie sich nicht erlaubt, laut auszusprechen,
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