Erwachende Leidenschaft
erkannte, daß sie dieses ganze Geschehen genauso verabscheute wie er.
Caine hatte recht. Es mußte eine andere Lösung geben.
Derweil las sein Bruder den nächsten Namen. »Kingsford, Earl of Lockwood.«
»Gweneth hat Kingsford vorgeschlagen«, bemerkte sein Vater. »Sie war von seiner guten Erziehung eingenommen.«
Colin schüttelte den Kopf. »Er mag ja gut erzogen sein, aber er hat auch den Ruf, sadistischen Vergnügungen nachzugehen.«
»Gütiger Gott«, murmelte sein Vater. »Sadistische Vergnügungen? Streich ihn durch, Caine.«
»Ja, Vater«, stimmte Caine zu und las den nächsten auf der Liste vor. »Williams, Marquis of Coringham.«
»Das war mein Vorschlag«, erklärte der Duke, seine Stimme klang erneut enthusiastisch. »Er ist ein feiner Kerl. Ich kenne die Familie seit Jahren. Ja, Harry stammt aus gutem Hause.«
Caine hatte Mühe, ernst zu bleiben. Colin schüttelte schon wieder den Kopf.
»Harry ist ein Schürzenjäger«, verkündete Colin.
»Wirklich? Das ist mir nie aufgefallen«, murmelte der Vater. »Gweneth und ich müssen wirklich mehr ausgehen. Ich hätte solche Dinge gewußt, wenn wir uns mehr unter Menschen begeben würden. Also gut, er auch nicht. Wir können das Kind nicht mit einem zukünftigen Ehebrecher verheiraten.«
Caine blickte Colin an, während er den nächsten Namen verlas: »Johnson, Earl of Wentzhill!«
Er hatte den Titel noch nicht ganz ausgesprochen, als Colin auch schon wieder heftig ablehnte.
Und so ging es in einem fort. Colin hatte an jedem Mann etwas auszusetzen. Zu dem Zeitpunkt, als Caine zum letzten Namen der Liste vorgedrungen war, lehnte sein Vater in der Ecke des Sofas, hatte sich die Hand auf die Stirn gepreßt und sah völlig besiegt aus. Caine konnte sein Lachen kaum zurückhalten. Sein Bruder hatte schon bei dem letzten Namen echte Schwierigkeiten gehabt, sich ein passendes Laster auszudenken. Nun hieß es: »Morgan Atkins, Earl of Oakmount«, und Caine war äußerst gespannt, was Colin diesem nun anhängen wollte.
»Ich habe Morgan bereits kennengelernt«, verkündete Alesandra. »Er kam Colin besuchen, um etwas mit ihm zu besprechen. Ich fand ihn sehr nett.«
Alesandras Stimme mangelte es an Überzeugung. Es fiel ihr so schwer, zu verbergen, wie unglücklich sie war. Sie haßte, was hier geschah. Als hätte sie keinerlei Kontrolle über ihre Zukunft und ihr Schicksal! Und was mindestens genauso schrecklich war: Sie fühlte sich wie ein Fall für die Wohlfahrt.
»Ich kann mir keine Meinung über Morgan bilden«, bemerkte Caine. »Ich kenne ihn nicht.«
»Ich habe ihn schon einmal getroffen«, sagte sein Vater. »Ich mochte ihn recht gern. Vielleicht könnten wir ihn mal einladen, um … Warum in Gottes Namen schüttelst du jetzt wieder den Kopf, Colin?«
»Ja, Bruder«, warf Caine ein. »Was gibt es an Morgan auszusetzen?«
Colin stieß einen Seufzer aus. Ihm fiel überhaupt nichts mehr ein, und Caine trug nicht gerade dazu bei, daß er sich konzentrieren konnte. Er begann zu lachen.
»Das ist nicht komisch!« fauchte er.
»Doch, das ist es doch«, sagte Caine. »Laßt uns mal sehen«, begann er genüßlich. »Bis jetzt haben wir neun potentielle Heiratskandidaten wegen Trunksucht, Geiz, Gefräßigkeit, Eifersucht, Perversion, Habgier, Leichtlebigkeit und so weiter verworfen, und ich bin wirklich neugierig darauf, was dir zu Morgan einfällt. Ich denke, die sieben Todsünden hast du schon alle abgehakt.«
»Was willst du damit sagen, Caine?« fragte Colin drohend.
»Du magst keinen von ihnen.«
»Verdammt richtig. Ich denke bloß an Alesandras Glück. Sie ist eine Prinzessin. Sie hat etwas Besseres verdient.«
Die letzte Bemerkung sagte Caine alles, was er wissen mußte. Er begriff endlich, warum sein Bruder so übelgelaunt war. Er wollte Alesandra durchaus, aber sein Kopf hatte entschieden, daß er sie nicht wert war. O ja, das war es! Colin war der Zweitgeborene und erbte daher weder Land noch Titel. Seine Besessenheit, sich ein eigenes Imperium aufzubauen, war nur ein Teil seines Bestrebens, eigenständig Anerkennung zu finden. Caine war stolz darauf, daß sein Bruder so unabhängig war, aber verdammt, die Unabhängigkeit würde ihn dazu zwingen, von Alesandra abzulassen.
Es sei denn, er würde zu einer Heirat gezwungen.
»Also, was ist mit Morgan?« fragte sein Vater noch einmal. »Was stimmt an ihm nicht?«
»Nichts«, knurrte Colin.
Sein Vater begann zu lächeln, als Colin hinzufügte: »Natürlich nur, wenn Alesandra nichts
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