Erwachende Leidenschaft
nie!« sagte Colin erstaunt.
»Nicht mehr«, stimmte sein Vater zu. »Damals aber um so mehr. Und ich spielte. Natürlich wuchsen die Schulden bald an, und ich belog mich immer wieder selbst, indem ich mir einredete, ich würde bald genug gewinnen, um alles zurückzahlen zu können.«
Colin und Caine waren zu überrascht, um eine Bemerkung zu machen. Sie starrten ihren Vater an, als hätte er sich plötzlich in einen Fremden verwandelt.
»Es fällt mir nicht leicht, euch dies zu gestehen«, fuhr er fort. »Welcher Vater breitet seine Sünden schon gerne vor seinen Söhnen aus.«
»Die Vergangenheit ist vorbei«, warf Colin ein. »Laß es doch gut sein.«
Sein Vater schüttelte den Kopf. »So einfach ist es leider nicht«, erklärte er. »Ich will, daß ihr es versteht. Ich war auf dem besten Weg, mich zu ruinieren, wißt ihr, und es wäre auch unausweichlich dazu gekommen, wenn es da nicht Alesandras Vater gegeben hätte. Alles, was ich geerbt und mir so hart erarbeitet hatte, war inzwischen in den Händen von Geldverleihern als Pfand für das Bargeld, das sie mir gaben. Ja, ich wäre ruiniert gewesen.«
»Und was geschah dann?« fragte Caine.
»Nathaniel kam mir zur Hilfe. Ich war eben noch bei White’s gewesen und erinnere mich nur noch, daß ich irgendwann zu Hause zu mir kam. Man sagte, ich wäre am Spieltisch umgekippt – betrunken. Als ich meine Augen wieder aufschlug, stand Nathaniel neben mir, und, Gott, er war wütend! Mir war so elend zumute, daß ich nur allein gelassen werden wollte. Er dachte aber nicht daran, zu verschwinden. Und er drohte mir.«
»Er drohte dir? Womit?« fragte Caine. Er hatte sich erwartungsvoll vorgebeugt und die Hände zusammengefaltet.
»Er sagte mir, du wärest unten«, erklärte sein Vater. »Du warst so jung und so leicht zu beeindrucken, und Nathaniel drohte mir, dich heraufzuholen, damit du sehen solltest, was für eine jämmerliche Gestalt dein Vater geworden war. Es versteht sich von selbst, daß ich schlagartig nüchtern wurde. Ich wäre lieber gestorben, als daß ich mich dir in einem solchen entwürdigenden Zustand gezeigt hätte.«
Einige Minuten sagte keiner ein Wort. Caine hatte keinerlei Erinnerung an diese Zeit. »Wie alt war ich?« fragte er dann.
»Fast fünf.«
»Wenn ich noch so klein gewesen bin, dann hätte ich mich wahrscheinlich gar nicht daran erinnern können, ob ich dich mal betrunken gesehen hätte oder nicht«, bemerkte er.
»Nathaniel wußte, wie sehr ich dich liebte«, fuhr sein Vater fort. »Oh, er ging sehr gerissen vor. Es war meine finsterste Stunde, und gleichzeitig war es der Wendepunkt.«
»Was hast du wegen der Schulden unternommen?« fragte Colin.
Sein Vater lächelte. Es sah Colin ähnlich, eine solche Frage zu stellen. Sein jüngerer Sohn war das Mitglied der Familie, das am praktischsten veranlagt war … und die meiste Disziplin besaß.
»Nathaniel ging zu all den Geldverleihern und sammelte die Wechsel ein, und in nur einem Tag war ich komplett schuldenfrei. Er wollte mir die Scheine überlassen, aber ich weigerte mich, seine Großherzigkeit anzunehmen. Ich ließ auch nicht zu, daß er sie zerriß. Ich wollte, daß er sie behielt, bis ich die Schulden eines Tages zurückzahlen konnte. Ich bestand sogar darauf, daß er die Zinsen hinzufügte.«
»Und ist die Schuld inzwischen getilgt?« fragte Caine.
»Nein. Nathaniel reiste mit seiner Frau nach Stone Haven zurück. Bevor er England verließ, machte er mir dieses kostbare Geschenk.« Der Duke deutete mit dem Kopf auf das Modell auf dem Kaminsims. »Könnt ihr euch das vorstellen? Nach allem, was er für mich getan hatte, schenkte er mir etwas. Wir schrieben uns regelmäßig, und als er das nächste Mal nach England kam, brachte er seine kleine Tochter Alesandra mit. Ich versuchte, ihm die Hälfte der Schulden zurückzuzahlen, aber er wollte das Geld einfach nicht nehmen. Ich fühlte mich schrecklich unbehaglich, und weil er so großherzig war, wagte ich nicht ihn zu fragen, wo er die Schuldscheine hatte. Im folgenden Winter starb er. Himmel, ich beklage den Verlust immer noch. Er war mein bester und treuster Freund.«
Seine Söhne nickten. Dem konnte man kaum etwas hinzufügen.
»Und wer hat die Wechsel jetzt?« fragte Caine.
»Das ist das Problem, mein Sohn,. Ich weiß es nicht.«
»Hast du Alesandra danach gefragt?« wollte Colin wissen.
»Nein«, antwortete sein Vater. »Ich bezweifle, daß sie irgend etwas darüber weiß. Als ihr Vormund habe ich Zugang zu
Weitere Kostenlose Bücher