Erwacht
wieder zu Griffin ging, beugte er sich über den Toten und war bereits am Handy, um einen Aufräumtrupp zu bestellen. Plötzlich hatte ich ein schlechtes Gefühl. Er klappte sein Handy zu, legte den Kopf in die Hände und atmete tief durch.
»Sein Name war Angus. Er war seit über hundert Jahren ein Grigori. Er war mein … Mentor. Mein Freund.«
Ich hatte einen Kloß im Hals und schluckte. »Griffin ?«, fragte ich zögernd. Sein Blick huschte zu mir herauf.
»Ich … ich hatte Blut an meinen Händen. Als ich merkte, dass ich hier war, hatte ich überall Blut an mir. Ich weiß nicht, ob … ob ich?« Ich glaubte es zwar nicht, aber Tatsache war, dass ich irgendwo unterwegs Zeit verloren hatte, und als ich wieder zu mir kam, lag ein Toter vor mir.
»Ob du ihn getötet hast?«, half er weiter, wobei er ruhig zu mir heraufschaute.
»Ja.« Ich schluckte.
»Nein. Das haben Verbannte getan. Ich bin mir sicher, wenn du dich konzentrierst, spürst du die Energie, die sie hinterlassen haben.«
Ich brauchte mich nicht zu konzentrieren. Ich hatte sie bereits gespürt, aber ich hatte trotzdem fragen müssen.
Ich konnte den Schmerz, einen Freund verloren zu haben, in Griffins Stimme hören. Ich ließ ihn ein wenig allein und kehrte zu meiner Kiste weiter vorne in der Gasse zurück.
Dort saß ich noch immer und starrte in die Luft, als weitere Grigori ankamen. Einige von ihnen kannte ich von der letzten Mordszene. Das war in gewisser Weise tröstlich; ihre Anwesenheit schien die neue Macht, die in mir brodelte, zu beruhigen. Ich nahm an, dass es sich um den Aufräumtrupp handelte. Einige von ihnen nickten mir im Vorbeigehen zu, wodurch sie mich als eine der ihren anerkannten.
Magda und Lincoln tauchten gleichzeitig auf. Offensichtlich waren sie zusammen hergekommen, aber das machte mir nicht so viel aus, wie ich erwartet hätte. Als würde meine Eifersucht irgendwie zensiert. Wenn ich darüber nachdachte, schien es tatsächlich, was Lincoln anging, als seien alle meine Gefühle ihm gegenüber unterdrückt – außer natürlich die Wut. Ich schrieb es Bewältigungsmechanismen zu, kehrte es unter den Teppich, wohin zurzeit alle mit »Lincoln« bezeichneten Dinge wanderten.
Er blieb, um mit mir zu sprechen, während mir Magda halbherzig zuwinkte und zu Griffin ging. Ja, ich konnte wirklich spüren, wie gern Magda mich mochte.
»Bist du okay?«, fragte er vorsichtig.
»Ja«, sagte ich, auch wenn meine Hände noch immer zitterten.
»War es wirklich Angus?«
»Das hat Griffin zumindest gesagt.«
Lincoln fluchte leise vor sich hin.
»Kanntest du ihn auch?«
»Ja, eigentlich hatte ich gehofft, ihn dir vorzustellen zu können. Er hat eine ganze Menge ziemlich schrecklicher Dinge überlebt. Wer hat das getan?«
»Onyx und Joel«, platzte ich heraus.
Seine Augenbrauen schossen nach oben. »Gemeinsam ?«
Ich nickte. »Sie haben mich in einen schrägen Albtraum gezogen, und als ich zu mir kam, war ich hier. Sie müssen es gewesen sein. Sie sind absolut, total durchgedreht.«
»Na ja, wenigstens verstehst du jetzt, wie Verbannte wirklich sind.«
Mir entging der Seitenhieb in Richtung Phoenix nicht und ich fühlte mich sofort in der Defensive. Ich schenkte Lincoln mein »Es-ist-mir-völlig-wurst-was-du-denkst-und-ich-bin-sauer-auf-dich«-Lächeln und stand auf. »Ich habe die ganze Nacht nicht geschlafen. Ich rufe mir jetzt ein Taxi. Sag Griffin, ich sehe ihn morgen früh.«
»Du gehst jetzt einfach?« Ungläubig streckte er die Hände aus.
»Ja. Ich bin müde, Linc, und ich will nicht mit dir streiten. Ich gehe nach Hause, schlafen. Wenn Griffin Hilfe braucht, wird er anrufen.« Und aus Boshaftigkeit fügte ich noch hinzu: »Mach dir keine Gedanken, ich bin mir sicher, Magda kann dir die Hand halten, wenn du dich einsam fühlst.«
Ich drehte mich auf dem Absatz um, um abzuhauen. Wie ein himmlisches Geschenk fuhr beinahe sofort ein Taxi heran und verlieh damit meinem Abgang noch mehr Wirkung.
KAPITEL EINUNDDREISSIG
»Wenn ich Dich hasse, dann weißt Du, es liegt daran, dass ich Dich so leidenschaftlich liebe, dass es meine Seele aus den Angeln hebt.«
JULIE DE LESPINASSE
N ach ein paar Stunden Schlaf quälte ich mich wieder aus dem Bett. Ich war fest entschlossen, mein Leben unter Kontrolle zu bringen, ich war es leid, dass jeder an mir zog und zerrte. Ich war jetzt eine Grigori und musste wissen, was passierte. Besonders seit es so aussah, als hätte ich meinen eigenen kleinen Rebellische-Engel-Fanclub.
Ich
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