Erwacht
nächste Ecke und war enttäuscht zu entdecken, dass ich unbewusst in der Nähe meines Zuhauses gelandet war.
An der nächsten Abzweigung bog ich in meine Straße ein und musste anhalten, um mich einen Augenblick lang gegen eine Hauswand zu lehnen. Ich konnte nicht mehr atmen – jedesmal wenn ich Luft holte, blieb sie mir im Hals stecken, bis ich mich schließlich mit um die Taille geschlungenen Armen nach vorne beugen musste, um einen Schrei zu unterdrücken.
Als ich mich endlich wieder aufrichtete und durch die Menschenmenge auf dem Gehweg ging, die sich in die Pendlerbusse zwängte, sah ich Lincoln, der vor der Tür unseres Wohnblocks stand. Mein Herz, das vor ein paar Sekunden beinahe für immer den Geist aufgegeben hätte, begann wie verrückt zu hüpfen.
Ich hatte gerade weiß Gott wie lange damit zugebracht, ziellos durch die Stadt zu laufen wie eine Geisteskranke in spe, und obwohl mir alles wild im Kopf herumspukte, schlich sich immer wieder ein Gedanke ein: Es hatte so geklungen, als wäre er drauf und dran, zu sagen, dass er mich liebte. Ich rieb mir mit den Händen über das Gesicht, schloss die Faust um eine Handvoll Haare und zog daran. Wenn ich einfach all seine Lügen akzeptiert, ihm vergeben und geduldig zugehört hätte, als er es erklärte, dann läge ich jetzt vielleicht in seinen Armen. Das war genug, um einen Moment lang meine Handlungen zu überdenken – aber nur einen Moment lang.
Er schien anders als sonst, als ich die letzten Schritte auf ihn zumachte. Ich hatte ihn noch nie so … verängstigt erlebt. All seine großen Pläne standen auf dem Spiel!
»Geh nach Hause, Linc«, sagte ich, wobei ich versuchte, ihn nicht anzuschauen und nicht anzuhalten.
»Ich weiß, dass du mich nicht sehen willst.« Er streckte die Hand nach mir aus und brachte mich sanft zum Stehen. »Aber ich habe etwas, was dir vielleicht helfen könnte. Könnte einige Fragen beantworten. Kann ich mit hochkommen?«
Ich schaute auf seine Hände hinunter. Er hielt ein kleines Holzkästchen, das ich sofort erkannte. Mein Blick zuckte nach oben und dann rasch wieder nach unten. Ich wollte nicht, dass er wusste, dass ich genau das gleiche Kästchen zuvor schon einmal gesehen hatte.
»Du kannst bis in die Eingangshalle mitkommen.« Das war alles, wozu ich mich überwinden konnte. Ein großes Entgegenkommen, unter diesen Umständen.
»Ich glaube kaum, dass das etwas ist, was wir in der Eingangshalle erledigen können.«
Ich zog die Augenbrauen hoch und verschränkte die Arme, um zu signalisieren, dass er es nicht darauf ankommen lassen sollte.
»Was immer du gerade von mir hältst, ich kann helfen. Mein Auto steht dort drüben.« Er schaute über die Straße zu seinem schwarzen Volvo mit Allradantrieb. »Vielleicht können wir im Auto reden. Es wird nicht lang dauern.«
Ich hatte große Lust, Nein zu sagen, aber irgendetwas in mir, dieser zunehmend nervige Teil, der sich irgendwie nicht von Lincoln losreißen konnte, überstimmte mich. Schwach!
Ich folgte ihm zum Wagen und wir nahmen unsere normalen Plätze ein, obwohl am heutigen Tag überhaupt nichts normal war. Lincoln setzte sich so hin, dass er mich anschauen konnte, und rückte dabei ein wenig näher. Als er meinen Gesichtsausdruck sah, wich er wieder ein wenig zurück.
»Ich wollte es dir sagen, Vi. Als du gestern Abend zu mir kamst, um mit dem Wandbild anzufangen, wollte ich dir alles sagen. Ganz ruhig und auf die richtige Art und Weise. Aber dann traf ich zufällig deinen Dad und er erzählte mir …« Er verstummte allmählich.
»Das hat also deine Pläne ruiniert«, sagte ich ironisch. »Tut mir leid, dass dir das Verdruss bereitet hat.«
»Nein, daran liegt es nicht. Ich war froh, dass du es mir erzählt hast. Das hat mir sehr viel bedeutet. Ich wollte dich daraufhin nur nicht mit all dem bombardieren … ich wollte dir mehr Zeit geben.«
Ich warf ihm hinter meinem Vorhang aus Haaren, den ich zwischen ihm und mir drapiert hatte, einen verstohlenen Blick zu. Seine grünen Augen funkelten und ich schluckte schwer, bevor ich aus meinen Haaren auftauchte.
»Es hätte tausende andere Gelegenheiten gegeben, Lincoln. Sag einfach, was du zu sagen gekommen bist.«
Er holte tief Luft. »Ich weiß nicht, von welchem Rang du bist oder welche Stärken du haben wirst. Das wirst du erst nach deiner Zusage herausfinden. Was das Wahrnehmen von Verbannten angeht … vielleicht weiß ich etwas Besseres, als es dir einfach nur zu erklären.«
Er legte das kleine
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