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Erwacht

Erwacht

Titel: Erwacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Shirvington
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einem verbannten Engel zurück.

KAPITEL VIERZEHN
    »Die Tugend der Engel ist: Sie können nicht schlechter werden. Ihr Fluch: Sie können sich nicht verbessern. Der Fluch des Menschen ist: Er kann schlechter werden. Seine Tugend: Er kann sich verbessern.«
    CHASSIDISCHES SPRICHWORT
     
    » H ast du Hunger?«
    Wir hatten seit dem Indoor-Klettercenter nicht gesprochen, und Phoenix’ Worte durchschnitten unbeholfen die Stille.
    »Oh, ich … ähm … weiß nicht«, sagte ich und klang dabei wie eine Dreijährige.
    Tatsache war, dass ich am Verhungern war. Steph und ich hatten eigentlich geplant, etwas zu Mittag zu essen, bevor wir klettern gingen, aber sie war spät dran gewesen. Sie schwört, dass sie während der Schulferien vor zwölf nicht aus dem Bett kommt, aber ihr Bruder hat mir einmal verraten, dass das nur als Vorwand für ihr angeborenes Strebertum dient. Ich wäre jede Wette eingegangen, dass sie so den Großteil der Arbeit für das folgende Schuljahr erledigte. Natürlich würde sie das nie zugeben und ich würde sie nie dazu zwingen.
    Es wurde schon dunkel und ich hatte den ganzen Tag nichts gegessen, es sei denn, man zählte die beiden Tassen Kaffee, die ich am Morgen getrunken hatte.
    »Du solltest etwas essen. Ich möchte nicht, dass du umkippst oder so.«
    Sein Kommentar klang völlig ahnungslos, aber ich wusste, dass dem nicht so war. Mein Kopf fuhr nach oben, der Gedanke, dass er neulich in unserer Wohnung herumgelungert und gesehen haben könnte, wie ich ohnmächtig wurde, beschämte mich.
    »Essen kann dir nur guttun – du hast den ganzen Tag nichts gegessen. Und ich verspreche auch, dass ich brav sein werde.«
    Er hob drei Finger zum Pfadfindergruß. Seine Augen versprachen das Gegenteil.
    »Du bist mir schon wieder gefolgt«, warf ich ihm vor und schlang mir die Arme um die Taille. Ich fand es unheimlich, wie er einfach so aus dem Nichts aufgetaucht war, um mich aufzufangen. Ich hatte keine Ahnung, wie er so schnell zu mir gelangen konnte.
    »Wie bitte?« Er bemühte sich, schockiert auszusehen, aber nur meinetwegen. Ich hatte das Gefühl, dass Phoenix genau wusste, was er tat.
    »Woher weißt du, dass ich den ganzen Tag nichts gegessen habe«, knurrte ich. So langsam hatte ich die Nase voll von diesen Spielchen.
    Er lenkte ab. »Lass uns etwas essen gehen. Dann erkläre ich es dir.«
    Er ging dicht neben mir, aber als sich unsere Arme streiften, wich ich rasch zur Seite.
    Ich wollte nirgends mit ihm hingehen. Die letzte Person … na ja, oder die zweitletzte Person, mit der ich jetzt zusammen sein wollte, war Phoenix. Andererseits hatte er gerade angeboten zu erklären, was da eigentlich vor sich ging. Vielleicht konnte ich das zu meinen Gunsten ausnutzen.
    »Gut«, sagte ich. »Ich esse etwas und du versprichst, dass du alle meine Fragen beantwortest. Und du bezahlst.«
    Die Pizzeria war rappelvoll – immer ein gutes Zeichen. Der Tipp wäre jedoch nicht nötig gewesen; ich war schon einmal mit Lincoln hier gewesen. Es war eine dieser Pizzerien mit richtigen Holzöfen. Es duftete nach verkohltem Teig, geschmolzenem Käse und Knoblauch. Die Kellner waren unfreundlich und sprachen hauptsächlich Italienisch. Ich spreche kein Italienisch, aber ich verstand genug, um zu merken, dass sie keine Nettigkeiten austauschten.
    Der einzige freie Tisch war in einer engen Ecke in der Nähe der Küchentür eingekeilt. Nicht in der Nähe des Pizzaofens, was zumindest bedeutete, dass mir nicht die ganze Zeit der Schweiß ausbrechen würde. Aber als Trostpreis bestanden gute Chancen, irgendwann von einem der Kellner k.o. geschlagen zu werden, die auf dem Weg zur und aus der Küche durch die Schwingtür brachen. Phoenix ließ sich davon nicht stören und glitt durch den Raum hinter unserem dicken italienischen Kellner her, der die Speisekarten auf den Tisch fallen ließ und wegging, ohne zu fragen, ob wir etwas zu trinken oder eine Vorspeise wollten. Er schwitzte so heftig, dass ich ihn am liebsten gefragt hätte, ob er sich nicht vielleicht auf meinen Platz setzen wollte, während ich ihm etwas zu trinken besorgte.
    Als ich schließlich sah, dass eine rothaarige Kellnerin auf uns zusteuerte, sank ich tief in meinen Stuhl. Wie konnte mir das schon wieder passieren? Ich zerbrach mir den Kopf, während sie den Abstand verringerte. Sie trug ein gewöhnliches Kellnerinnen-Outfit – weiße kurzärmlige Bluse und schwarzer Rock –, aber heute fiel ihr das Haar offen bis knapp unter die Schultern. Als sie näher

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