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Erwacht

Erwacht

Titel: Erwacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Shirvington
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Mondlicht zu. Claudia.
    Als ich auf Phoenix zuging, entdeckte sie mich und schrie: »Violet! Gott sei Dank! VIOLET! HILF MIR!«
    Der blonde Verbannte verstärkte seinen Griff um ihren Hals und legte ihr die andere Hand auf den Mund, um sie zum Schweigen zu bringen.
    Ich blieb neben Phoenix stehen.
    »Ich habe doch gesagt, du sollst warten. Geh zurück!«, knurrte er mir zu. Ich hatte keine Zeit zu antworten, bevor er seine Aufmerksamkeit wieder dem Blonden zuwandte.
    »Lass sie los.« Er sprach leise, aber die Drohung war dadurch nur umso stärker. Ein Schauer lief mir über den Rücken.
    Der Blonde zuckte zusammen und warf Claudia zu Boden. Ihr Kopf traf so hart auf dem Pflaster auf, dass er aufprallte.
    »Knie vor mir nieder«, sagte der Verbannte höhnisch.
    Zu meinem Entsetzen beobachtete ich, wie Claudia sich aufstützte und auf Knien zu ihm kroch. Blut strömte aus einer klaffenden Wunde über ihrem linken Auge. Als sie seine Füße erreichte, hielt sie an und kniete vor ihm, wie er es befohlen hatte.
    »Bettle darum, dass ich dir das Leben nehme«, befahl er, als würde er mit einem tollwütigen Hund sprechen.
    Claudia schlotterte vor Angst, aber sie konnte die Worte nicht zurückhalten. »Töte mich. B-b-bitte«, weinte sie.
    »Nein! Lass sie los!«, schrie ich. »Claudia! Claudia, lauf!«
    Aber sie lief nicht. Und anstatt sie loszulassen, legte ihr der blonde Verbannte rechts und links eine Hand auf das Gesicht.
    »Wenn du sie willst, dann komm doch her und hol sie dir«, fauchte er und schaute dabei mich an. »Grigori!«
    Er hob Claudia hoch und hielt sie uns hin. Ihre Füße baumelten in der Luft. Bevor ich noch wusste, was ich tat, rannte ich los. Ich fühlte kurz Phoenix’Hand an meinem Rücken, als er nach mir griff, um mich aufzuhalten. Ich rannte mit ausgestreckten Armen, auch wenn ich wusste, dass ich zu langsam war und er viel zu schnell.
    Seine Arme bewegten sich mit rascher Präzision. Eine so kleine Bewegung – aber die Kraft, die dahintersteckte, war unverkennbar. Claudias Hals knickte mit einem tödlichen Knacken zur Seite. Ein unüberhörbares Geräusch, das mich auf ewig begleiten würde.
    Ich kam weniger als eine halbe Sekunde zu spät. Wären es Stunden gewesen, hätte es auch keinen Unterschied gemacht. Er ließ sie los und ließ sie in meine ausgestreckten Arme fallen. Ihr totes Gewicht sackte auf mir zusammen wie eine Stoffpuppe, und ich ging zu Boden. Der Verbannte nahm einen tiefen, zufriedenen Atemzug, hielt einen Augenblick die Luft an und schaute mich dann geradewegs an, während ich verzweifelt versuchte, mich zu befreien. Sein Gesicht war versteinert. Keinerlei Reue.
    »Du bist dran«, sagte er lächelnd, als würde er mich gerade zu einer Fahrt mit dem Riesenrad einladen. Er machte einen Satz auf mich zu.
    Ich hatte keine Chance – allerdings brauchte ich die auch nicht. Er hatte sich mir noch kaum auf Armlänge genähert, bevor Phoenix da war und wie ein Güterzug in ihn hineinraste.
    Sie tauschten einen Schlag nach dem anderen aus, und das in Lichtgeschwindigkeit. Wenn ich es nicht gesehen hätte, hätte ich es nicht geglaubt. Der Blonde war so schnell, ließ Phoenix seine Faust mit roher Gewalt ins Gesicht sausen und schleuderte ihn dabei quer über die Gasse in die Backsteinmauer gegenüber. Erstaunlicherweise verlangsamte das Phoenix kaum, er war schneller wieder zurück, als ich es mit meinem menschlichen Auge nachvollziehen konnte. Phoenix zögerte nicht, zurückzuschlagen. Er war eine schöne, tödliche Maschine – geschmeidig und fließend, wenn er den Schlägen des Verbannten auswich. Bald war klar, dass sie beide gleich stark waren, aber nicht gleich geschickt. Mit grausamer Präzision manövrierte Phoenix den Blonden zum Ende der Gasse, wobei er immer wieder mit den Fäusten auf ihn einschlug.
    Endlich sackte der Verbannte zu Boden. Phoenix kniete auf ihm. Ich konnte in der Dunkelheit nicht richtig sehen, und darüber war ich froh. Ein grausiger Stoß, dann das nasse, klebrige Geräusch, wenn etwas zerrissen und gebrochen wird. Es war ein Geräusch, das ich nie zuvor gehört hatte und auch nie wieder hören will.
    Phoenix hob rasch Claudia von mir herunter und half mir auf. Er wischte mir die Tränen aus den Augen und zog mich an sich. Die Sinneswahrnehmungen beeinträchtigten mich noch immer, aber ich kümmerte mich nicht darum. Ich umklammerte ihn, so fest ich konnte. Dabei spürte ich seine Erschöpfung … und noch etwas anderes. Er war starr,

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