Erwacht
sah beschämt aus. Dazu hatte er auch allen Grund. Aber andererseits war er nicht der Einzige, der sich so aufgeblasen hatte.
»Ja, ja«, fuhr Steph fort. »Ich habe eindeutig keine Ahnung, was hier eigentlich vorgeht.« Sie warf mir einen vorwurfsvollen Blick zu. Ich würde noch eine Menge zu erklären haben. »Ich bin zwar offensichtlich nicht eingeweiht, aber die Sache ist die: Ihr seid zwei und Violet gibt es nur einmal, und Gott sei Dank ist sie nicht dafür gemacht, mit euch beiden gleichzeitig fertigzuwerden.«
Dieses Mal warf ich ihr einen vorwurfsvollen Blick zu. Sie lächelte nur und richtete ihre Aufmerksamkeit auf Phoenix. »Warum gehen wir beide nicht einfach an die Bar und trinken etwas? Violet kommt dann später dazu, wenn sie fertig ist.«
In diesem Augenblick liebte ich Steph so sehr, dass mir die Worte fehlten. Phoenix folgte ihr widerwillig, aber nicht, bevor er sich nicht noch amüsiert hatte. Er drückte mir schön langsam einen Kuss auf die Wange, gefolgt von einem Abschiedslächeln für Lincoln. Das war nervig, vor allem weil Phoenix derjenige war, der die letzten paar Wochen darauf herumgeritten war, dass ich mich mit Lincoln treffen sollte.
Schweigend gingen wir hinaus auf die hintere Terrasse. Frische Luft war bestimmt eine gute Idee, und den Abstand zwischen Lincoln und Phoenix zu vergrößern, eine noch viel bessere.
»Du siehst hübsch aus mit offenen Haaren«, sagte er, ohne mich anzuschauen.
Seine Stimme berührte den Teil von mir, den nur sie berühren konnte, und ich wollte kapitulieren, hineintauchen, aber ich ermahnte mich, dass diese Zeiten vorüber waren.
»Du hast es schon Millionen Male offen gesehen.« Ich wich ihm aus und klemmte mir die Haare hinter das Ohr.
»Und Millionen Male wollte ich dir schon sagen, wie schön es aussieht.« Er wandte sich um und schaute mir in die Augen, dann senkte er den Blick bewusst zum Ausschnitt meines Kleides. Verglichen damit, wie Phoenix mir seine Emotionen aufzwang, war das subtil, aber es traf mich trotzdem wie eine Abrissbirne. Ich wollte so gern auf ihn zugehen. Er hatte sich noch nie zuvor erlaubt, mich so anzuschauen.
»Lass das«, sagte ich stattdessen.
»Okay«, sagte er, und es klang, als müsse er sich verteidigen. »Wenn du gleich wieder zu deinem Freund zurückmöchtest«, er schwenkte seinen Arm in Richtung Tür, »dann lass dich von mir nicht aufhalten.«
»Er ist nicht … du hast nicht das Recht … verdammt!« Ich bekam nicht einmal einen Satz zustande, wenn er vor mir stand.
Lincoln steckte die Hände in die Taschen und blickte zu Boden. Solange er nicht herschaute, holte ich ein paarmal tief Luft, um mich zu beruhigen.
»Entschuldige«, murmelte er. »Aber es hat mich wahnsinnig gemacht, dich nicht zu sehen und nicht zu wissen, wie es dir geht. Ich habe versucht, deinen Freiraum zu respektieren, aber dann kreuzt du hier mit ihm auf.«
»Tut mir leid, dass es so schwer für dich war«, antwortete ich sarkastisch. »Was machst du überhaupt hier?«
»Die Organisation hat mich eingeladen. Ich bin einer ihrer wichtigsten Spender.«
»Noch etwas, wovon ich nichts wusste«, sagte ich leise.
»Es ist ein Treuhandfonds, der eingerichtet wurde, als meine Mutter starb. Es ist nichts, worüber ich oft nachdenke. Ich habe es nicht vor dir geheim gehalten.«
Er hatte nie viel über seine Eltern gesprochen. Alles, was ich wusste, war, dass sein Vater eine Woche, nachdem Lincoln geboren worden war, bei einem Autounfall umkam, und dass seine Mutter an Krebs starb, als er siebzehn war. Offensichtlich war sie eine Art Unternehmerin, und da Lincoln Einzelkind war, hatte er eine ganze Menge Geld geerbt, soweit ich mitbekommen hatte – zumindest genug, um sich die Lagerhalle zu kaufen. Das Gästezimmer in seiner Wohnung war bis zur Decke mit Schachteln gefüllt, in denen sich alte Firmendokumente seiner Mutter befanden. Er betrat dieses Zimmer nie, sagte aber immer, dass er es aufräumen und einen Fitnessraum daraus machen würde, allerdings wusste ich genau, dass er das nie tun würde.
Er senkte die Stimme. »Du solltest ihm nicht trauen.«
»Ich hätte dir nicht trauen sollen«, sagte ich im gleichen Ton zu ihm.
Über meinen Worten verzog er schmerzlich das Gesicht, was echt aussah, aber es überzeugte mich nicht.
»Hast du entschieden, was du tun willst?«, fragte er; er wandte sich von mir ab und stützte die Hände auf das Geländer. »Ob du ein Grigori werden willst?«
»Nein. Um ehrlich zu sein, muss ich über die
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