Erwählte der Ewigkeit (German Edition)
immer noch, als sie am späten Nachmittag in der Stadt unterwegs war. Überall redeten die Leute über die Katastrophe in Europa. Europäische Länder baten die internationale Gemeinschaft um Notstands- und Katastrophenhilfe, flehten verzweifelt die Regierungen der Vereinigten Staaten und anderer Nationen um umgehende militärische Unterstützung an.
Es war entsetzlich und surreal, wie die Welt sich nach nur ein paar Stunden grundlosen Blutvergießens verändert hatte.
Und Tavia war sicher, dass Dragos dahintersteckte.
Sie hatte jede Menge Fotos und Fernsehberichte gesehen, die die wilden, blutverschmierten Gesichter der Angreifer zeigten. Der Vampire, so wie die Menschheit sie jetzt kannte.
Sie waren Rogues, jeder Einzelne von ihnen.
Nicht zum ersten Mal seit dem Beginn der Angriffe dachte sie daran zurück, was Chase ihr von den Reha-Einrichtungen der Agentur erzählt hatte. Er hatte erwähnt, wie groß die Gewaltwelle, wie total das Gemetzel sein würde, wenn blutsüchtige Rogues plötzlich auf die Menschheit losgelassen würden.
Und jetzt hatte Dragos diesen Albtraum in Europa wahr gemacht.
Er musste aufgehalten werden. Bevor er die Chance hatte, noch mehr Schrecken zu verbreiten oder die Bewohner des Planeten in noch größere Gefahr zu bringen.
Wenn sie nur irgendwie in seine Nähe kam, würde sie eine Möglichkeit finden, ihn zu töten.
In den letzten paar Stunden hatten sich die Anfänge eines Plans in ihrem Kopf gebildet, genau das zu tun.
Sie eilte zu Fuß in die Wohngegend Back Bay, gerade als der Sonnenuntergang die Stadt in kühle Schatten tauchte. Leichter Schneefall dämpfte etwas von dem Verkehrslärm der verstopften Straßen und den nervösen Unterhaltungen der Fußgänger auf den Gehwegen und Gassen.
Tavia sah die vertraute alte Villa vor sich auf der anderen Straßenseite. Sie wartete, bis ein Linienbus vorbeigefahren war, dann trat sie auf die Fahrbahn der Einbahnstraße, um sie zu überqueren.
Als sich die giftige Abgaswolke des Busses verzogen hatte, fand sie sich Auge in Auge mit einem Monster.
Der Rogue stand im Zwielicht auf dem Gehsteig, in einen zerschlissenen, blutigen Anstaltskittel gekleidet. Er legte den Kopf schief und starrte sie an, Gesicht und Hals noch blutverschmiert von seiner letzten Beute. Tavias Fänge pulsierten beim Geruch der frischen roten Zellen, aber der Adrenalinstoß, der sie jetzt durchzuckte, hatte mit Hunger nichts zu tun. Eisige Angst schoss ihr durch die Adern und den Rücken hinauf.
Oh Gott.
Auch hier würde das Gemetzel beginnen.
Mit einem tierischen Schnüffeln und einem tiefen Knurren kam der Rogue vom Bordstein auf sie zu. Tavia duckte sich vor ihm weg und rannte auf die nächste Seitenstraße zu. Sie sah sich um, vergewisserte sich, dass er ihr folgte.
Der Angstklumpen, der sich in ihrem Magen bildete, als sie sah, wie er ihr mit gebleckten Fängen nachschlich, war kalt wie Eis. Sie rannte tiefer in die Straße hinein und griff nach der Waffe, die sie sich hinten in den Bund ihrer Jeans gesteckt hatte.
Die schweren Schritte des Rogue knirschten auf dem gefrorenen Asphalt.
Tavia schlüpfte um die Ecke einer Villa und wartete ein paar Sekunden, bis der schwerfällige, riesige Vampir auftauchte. Dann schlug sie zu – blitzschnell und geräuschlos. Die Klinge fuhr dem Rogue in die Brust, und er blieb abrupt stehen. Er grunzte etwas Unverständliches und hob die Hände zu der Wunde, die über seinem Herzen zu bluten begann.
Das Titan wirkte schon. Es drang in den Blutkreislauf des Rogue, schoss durch seine verseuchten Venen und Arterien wie Gift, genau wie Chase gesagt hatte.
Auf diesen guten Rat hin hatte Tavia vor einigen Stunden einem Pfandleihgeschäft einen Besuch abgestattet und die Hälfte ihres restlichen Bargelds in diesen Dolch investiert. Gut gemacht, dachte sie und sah zu, wie der Rogue auf die Knie fiel und das Metall ihm schnell den Garaus machte. Jagdmesser aus Titan, gebraucht: dreiundsechzig Dollar.
Wirkung auf Rogues: Unbezahlbar.
Sie wartete nicht ab, bis der Rogue sich zu zischendem Glibber zersetzte und sich dann in Asche auflöste. Stattdessen wischte sie die Klinge ab, steckte sie ein und rannte zu Chases Dunklem Hafen.
Als sie an der Haustür der verwaisten Sandsteinvilla ankam, ertönte in einem anderen Teil der Nachbarschaft ein markerschütternder Schrei.
Noch mehr Rogues auf Beutezug.
Noch mehr Menschen wurden gerade getötet.
Die Nacht kam, und das Entsetzen, das sie brachte, war schon da.
Die Welt um ihn
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