Erwählte der Ewigkeit (German Edition)
blutsüchtiger Rogues auf die arglose, unvorbereitete Menschheit losgelassen.
»Es sind in erster Linie die Großstädte betroffen, dort ist die Situation derzeit am schlimmsten«, sagte Reichen, seine Stimme mit dem deutschen Akzent klang grimmig und hölzern. »In Deutschland sind es Berlin, Frankfurt und München. Auch aus Frankreich werden Hunderte von Opfern gemeldet, ebenso auch aus Polen und Tschechien. Jede Stunde gibt es neue Liveberichte.«
Lucan wollte etwas zerstören, seine Wut herausschreien, bis das Haus um ihn zu einem brennenden Trümmerhaufen einstürzte. Aber er schaffte es nicht einmal, seine Fäuste zu öffnen. Er konnte kaum Worte bilden, seine Kehle war staubtrocken geworden, seit vor wenigen Minuten die ersten Medienberichte von den Vampirattacken in Europa kamen.
Und nun hatte Reichen ihnen das Schlimmste bestätigt.
Das alles war Dragos’ Werk. Das war der Schachzug, mit dem er sie mattsetzen wollte. Den Lucan nicht vorhergesehen hatte. Zu dem er Dragos nie für fähig gehalten hatte, so unvorstellbar war er. So endgültig.
Arno Pikes höhnische Worte der letzten Nacht trafen ihn jetzt wie ein Schlag in den Magen.
Du kommst zu spät … Dragos hat schon gewonnen.
Was konnte der Orden dagegen tun?
Wie konnten sie die Situation unter Kontrolle bekommen, wenn die befreiten Rogues so viel mehr waren als sie und gleichzeitig in mehreren Regionen der Erde losgelassen wurden?
Wie konnte irgendjemand hoffen, den Schaden rückgängig zu machen, den Dragos mit diesem Vergeltungsschlag angerichtet hatte?
Der Schleier der Geheimhaltung – des provisorischen Friedens – , hinter dem der Stamm seit Jahrtausenden gelebt hatte, war nun mit einem Schlag weggerissen worden. Das konnte nie wieder rückgängig gemacht werden. Jetzt war der Stamm auf die schlimmstmögliche Weise vor der Menschheit enttarnt.
Als Monster.
Als gewissenlose, seelenlose Killer.
Und die Angriffe in Europa waren erst der Anfang.
Lucan kannte Dragos jetzt gut genug, um zu wissen, dass dasselbe schreckliche Blutbad schon bald auch die Vereinigten Staaten, Kanada und Mexiko treffen würde.
Keine drei Stunden mehr bis Sonnenuntergang.
Der Abend kam schnell.
»Hol mir Mathias Rowan ans Telefon«, sagte er zu Gideon. »Ich will eine absolute Ausgangssperre für alle Rehabilitierungseinrichtungen der Agentur in Nordamerika. Sag ihm, er muss es sofort tun!«
Während Gideon zum Telefon rannte, sah Lucan die Krieger und ihre Gefährtinnen an, die jetzt um ihn versammelt waren. Dante und Tess, ihren neugeborenen Sohn in den Armen. Tegan und Elise, grimmig angesichts der düsteren Welt, die ihr eigener Sohn erben würde. Rio und Dylan, die sich fest an den Händen hielten, Rios vernarbtes Gesicht war angespannt und ernst. Niko und Renata hatten beide eine mutige Fassade aufgesetzt und hielten Mira beschützend im Arm. Kade und Alex standen eng aneinandergeschmiegt neben Brock und Jenna; sie weinte stumm, er hatte die Arme um sie gelegt. Hunter und Corinne blickten stoisch, obwohl sie sich so fest an den Händen hielten, dass die Fingerknöchel weiß wurden. Die beiden standen mit Corinnes Sohn Nathan bei den Archers. Auf Lucans anderer Seite standen Savannah und Gabrielle, die beiden Frauen aufrecht und resolut, so tapfer und mutig wie jeder Krieger.
Und auch Chase war da. Er blieb in der Raumecke, niemand hatte ihn eingeladen. Nichtsdestotrotz war er in voller Kampfmontur, trug schwarze Drillichhosen und Kampfstiefel, seine Waffengürtel um Hüften und Brust mit Waffen gespickt.
Lucan sah ihn und nickte ihm zum Dank zu. Bei dieser Mission brauchten sie jeden Mann. Chase würde nie eine bessere Chance haben, sich zu beweisen. Lucan konnte dem Krieger ansehen, dass er genau das vorhatte – oder bei dem Versuch untergehen würde.
Jedes Augenpaar war auf Lucan gerichtet, wartete auf seine Entscheidung. Vertraute ihm, jetzt das Richtige zu tun. Sie anzuführen, wie er es noch nie hatte tun müssen.
Er durfte sie nicht enttäuschen.
Und das würde er auch nicht.
Gideon kam wieder in den Raum zurück und hielt Lucan ein Handy entgegen. »Rowan ist dran. Er sagt, alle Einrichtungen der Agentur in Nordamerika sind offline, technische Störung auf allen Kanälen. Keine Chance für eine Ausgangssperre.«
Was bedeutete, dass Dragos diesen Schritt vorhergesehen und seine Vorkehrungen getroffen hatte. Lucan warf seinen Brüdern einen ernsten Blick zu. »Alle fertig machen. Wir brechen vor Sonnenuntergang auf.«
37
Tavia zitterte
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