Erwählte der Ewigkeit (German Edition)
sich vor ihm zu ducken. »Ich habe Sie heute Morgen mit ihr gesehen«, sagte Chase. »Sie und einen anderen Cop in Uniform. Dunkles Haar, üble Narbe in der Augenbraue. Wie heißt er? Ich muss auch ihn finden. Reden Sie, Detective.«
»Ich sage dir kein Wort. Schon gar nicht, wohin Murphy sie gebracht hat.«
Verdammt. Also war sie immer noch mit dem Lakaien zusammen. »Wo ist sie, verdammt?«
»In Sicherheit«, stieß Avery hervor.
Chase packte ihn am Kragen. »Sicher wovor?«
»Vor dir, du verdammter Hurensohn!« Der Detective begann zu zittern, griff sich in den zerknitterten weißen Hemdkragen und lockerte seine Krawatte. »Allmächtiger Gott … du kannst nicht real sein. Du kannst kein Mensch sein. Darum hast du all diese Schusswunden überlebt. Darum konntest du gestern Abend aus dem Krankenhaus entkommen … «
Chase spürte das Entsetzen des Mannes, dem es nun endlich dämmerte. Jetzt starrte er ihn mit offenem Mund an, als erwartete er, von dem Monster, das Chase war, jede Sekunde in Stücke gerissen zu werden.
Das war der Grund, warum der Stamm das Geheimnis seiner Existenz all diese Zeit über bewahrt hatte. Diese Urangst der Menschen, noch befeuert von Mythen und Schauergeschichten – nicht alles davon ganz unwahr – , war der Grund, warum der Stamm nie erwarten konnte, friedlich mit den Menschen zusammenzuleben. Die Angst der Menschen vor Dingen im Dunkeln saß ihnen zu tief in den Knochen. Es war zu gefährlich, ihnen zu trauen.
Chase hatte keine Skrupel, das Entsetzen, das er auslöste, nun zu seinem Vorteil einzusetzen. Genauso wenig hätte er Skrupel, diesen Mann zu verletzen, um die Antworten zu bekommen, die er haben wollte. Wenn Avery wüsste, welche Gefahr Tavia Fairchild gerade drohte, wäre Zwang nicht nötig.
Andererseits, wenn dieser Mann oder jeder andere auch nur die Hälfte von der Bedrohung erfuhren, die Dragos und seine Anhänger für die Menschheit darstellten, war vermutlich überhaupt nicht mehr mit ihnen zu reden.
Trotzdem entschied sich Chase jetzt für die schonungslose Wahrheit.
Ehrlich und direkt erzählte er Detective Avery alles.
Als er fertig war, und nachdem der alternde Beamte ihm erschöpft verraten hatte, wo Tavia Fairchild sich befand, ersparte Chase ihm die Last dieser schrecklichen Enthüllung und löschte sie aus seiner Erinnerung. Dann ließ er ihn, geistig benommen, aber unverletzt, in seinem dunklen Toyota zurück.
Tavia ließ sich Zeit unter der Dusche der Hotelsuite, wollte die luxuriöse Einsamkeit, in der sie schwelgte, so lange wie möglich hinauszögern. Es störte sie nicht zu sehr, dass sie nicht wirklich alleine war. Die beiden FBI -Agenten und der uniformierte Beamte, die sie heute hierhergebracht hatten, waren drüben im Wohnzimmer der geräumigen Suite.
Durch die beiden geschlossenen Türen ihres privaten Bade- und Schlafzimmers von ihr getrennt, waren die Männer gerade in ein Basketballspiel im Fernsehen vertieft. Nachdem sie es eingeschaltet hatten, hatte Tavia sich entschuldigt, um zu duschen und ein Nickerchen zu machen, bis der Zimmerservice das Abendessen brachte. Unter dem warmen Wasserstrahl hörte sie das blecherne Fernsehergeräusch im Wohnzimmer, beglei tet vom geleg entlichen Buhen oder Triumphgeheul der Männer.
Sie war überrascht gewesen, als Officer Murphy ihr gesagt hatte, dass sie die Nacht – möglicherweise sogar mehrere Nächte – unter bewaffnetem Polizeischutz im Hotel verbringen würde. Der Cop mit den harten Augen und der unheimlichen Narbe in der Augenbraue war den ganzen Tag lang ihr Begleiter gewesen, von dem Augenblick an, als er und Detective Avery sie am Morgen aus Senator Clarences Bürogebäude gebracht hatten. Gott, es war alles so surreal. Sie war noch niemals Augenzeugin eines Verbrechens gewesen, und dann auch noch eine, die an einem geheimen Ort Polizeischutz brauchte.
Aber eigentlich war es gar nicht so anders als ihr übliches Leben zu Hause: Nie war sie ganz alleine, ständig sah jemand nach ihr, überzeugte sich davon, ob es ihr gutging, drang nach Lust und Laune in ihre Privatsphäre ein, und alles mit der Begründung, dass es ja zu ihrem Besten war. Sie hatte sich eigentlich nie besonders hilflos oder krank gefühlt, egal was Dr. Lewis und Tante Sarah zu denken schienen. Zugegebenermaßen rebellierte ihr Körper manchmal als Reaktion auf neue Behandlungen ihrer mysteriösen Krankheit und in besonderen Stresssituationen. Tavia hatte nie ganz herausbekommen, wie sie ihre »Anfälle«, wie
Weitere Kostenlose Bücher